Verspäteter Sozialdemokrat

So richtig Mühe hatte er sich gegeben, der Gregor Gysi. Und dann das: Mit den Worten: "Wir Sozialdemokraten sind längst weiter," kanzelte Harald Ringstorff letzte Woche die "Zwölf Thesen" ab, mit denen sich der PDS-Bundestagsfraktionschef gegen die sozialdemokratische Modernisierungspolitik von Schröder und Blair stark machen wollte. Ein Teil von Gysis Kritik könne aus der früheren SED-Parteihochschule stammen, ein anderer erinnere stark an die SPD der siebziger Jahre, sagte der Schweriner Ministerpräsident. Auch innerhalb der Partei stießen Gysis "Visionen des 21. Jahrhunderts" nicht nur auf Begeisterung. Routinemäßig kritisierten zahlreiche PDS-Politiker und -Politikerinnen das unabgesprochene und eigenmächtige Vorgehen Gysis. Durch all diese Unkenrufe ließ er sich freilich nicht bremsen. Im Gegenteil: Künftig werde man sich in Sachen Regierungsmacht nicht mehr mit Tolerierungskonzepten ˆ la Sachsen-Anhalt abgeben, ließ er vergangene Woche wissen. "Entweder wir arbeiten richtig zusammen in einer Koalition, oder es gibt eine andere Konstellation", sagte Gysi und handelte sich auch noch vom Magdeburger stellvertretenden Fraktionschef Matthias Gärtner Ärger ein. Der nämlich will derzeit noch nicht über ein Ende des Tolerierungsmodells spekulieren.