Pistolen und andere Privilegien

Die UCK erhebt abermals den Führungsanspruch im Kosovo und legt sich mit der Kfor an

Für Rexhep Selimi, "Innenminister" der selbsternannten Kosovo-Regierung der UCK, schien ein Jungentraum in Erfüllung gegangen zu sein. Seit die Kfor gemeinsam mit den UCK-Guerillas das Kosovo von der Herrschaft des Milosevic-Regimes gesäubert hatten, legte Selimi großen Wert auf politische Statussymbole: In Pristina und Umgebung kurvte das Regierungsmitglied mit Blaulicht herum und hatte - wie die anderen Angehörigen der UCK-Führung auch - das Privileg, weiterhin Handfeuerwaffen zu tragen.

Am letzten Donnerstag geriet der Minister in eine Kontrolle britischer Kfor-Soldaten. Als die Briten Selimis Ausweis mit seiner Sondergenehmigung zum Besitz einer Waffe sahen, wollten sie ihn schon weiterfahren lassen. Doch Selimi war ob der fehlenden Untertänigkeit der Fremden sichtbar erregt. Er zückte seine Pistole, lud durch und bedrohte damit die Soldaten. Dazu schrie er die wenig vertrauenserweckenden Worte: "Diese Kugeln sind für euch."

Der Festnahme des "Ministers" folgte einen Tag später seine Freilassung und wieder nur einen Tag später ein erneuter Zwischenfall: Bei einer Hausdurchsuchung von Kfor-Soldaten in Pristina wurden bei mehreren Männern Waffen und gefälschte Papiere gefunden - bei einem der Männer handelte es sich um Rexhep Selimi.

Eine Nacht im Knast und das Verbot, mit Blaulicht durch Pristina zu rasen, sollte für Selimi und den Rest der UCK-Führung ein Zeichen sein, wie ernst es der Kfor mit dem Anspruch ist, alleinige Ordnungsmacht im Kosovo zu sein. Ging der Einmarsch der Kfor in das Kosovo vergleichsweise entspannt vor sich und blieben größere Zwischenfälle aus - so warten jetzt politische Mühen auf die internationale Ordnungsmacht.

Seit Anfang August häufen sich die Spannungen zwischen der Kfor und der UCK. Besonders die russischen Teilnehmer der Kfor-Expedition mußten in den vergangenen Tagen bemerken, wie unerwünscht sie zumindest bei der albanischen Bevölkerungsmehrheit sind. In Kamenica etwa demonstrieren 3 000 Kosovo-Albaner schon seit knapp zwei Wochen gegen die Anwesenheit der Russen. In der näheren Umgebung kam es innerhalb weniger Tage zu drei ernsthaften Zwischenfällen. Mehrmals wurden Checkpoints der Russen von Kosovo-Albanern beschossen. Selbst Ganimet Klaiqi, Chef des Informationsbüros von Kamenica muß da zugeben: "Die Sicherheitslage in Kamenica ist sehr gespannt."

Die Kosovo-Albaner wollen in den letzten Wochen Beweise gesammelt haben, die belegen sollen, daß auch russische Söldner an den Hinrichtungen und Vertreibungen von Kosovo-Albanern während des Nato-Bombardements beteiligt waren. Aber auch eine aktuelle politische Facette hat der heißer werdende Konflikt zwischen den Kosovo-Albanern und der russischen Kfor-Einheit: Die westlichen Kfor-Truppen genießen wenigstens noch Reste eines politischen Kredits wegen ihrer Rolle während des Nato-Bombardements.

Doch auch ihre nostalgische Verklärung als Heilsbringer gerät zunehmend in Vergessenheit. Nicht nur die Russen ziehen sich jetzt den mit Pistolen und Schrotflinten geäußerten Unwillen der Kosovo-Albaner zu. Auch die Freunde von der US-Armee werden in ihrem Sektor rund um die Stadt Gnijlane nicht besonders geliebt.

Zu Beginn der Kfor-Operation galt die Region als leicht kontrollierbar: Hier war der Haß zwischen Serben und Albanern noch nicht so ausgeprägt wie im Rest der Provinz, denn die serbischen Sicherheitskräfte und Paramilitärs wüteten hier während den Nato-Bombardements kaum. Die Balance zwischen der serbischen und albanischen Bevölkerung tat ein weiteres, um hegemoniale Allüren der einen oder anderen Seite einzudämmen.

Doch inzwischen müssen die Serben der Region vor der UCK fliehen. Nicht ohne Hindernisse: Erst am Donnerstag wurde ein Konvoi serbischer Flüchtlinge im Dorf Dobrcane von Albanern mit Steinen beworfen. "Die Serben stoppten und begannen, mit ihren Pistolen zurückzuschießen. Die Albaner feuerten zurück und trafen einen Mann, der bald darauf verstarb", beschreibt der Kfor-Sprecher Jan Joosten den Zwischenfall. Er fügte hinzu: "Die Kfor ist beunruhigt über die Attacken auf die eigenen Soldaten und Zivilisten, und die Täter sollten gewarnt sein, daß die Soldaten das Recht haben, sich zu wehren."

Das mußten auch US-amerikanische Kfor-Soldaten in der Ortschaft Urosevac erfahren. Sie kamen unter Beschuß, während sie ein von Serben bewohntes Haus bewachten. Auch die deutschen Soldaten haben es verstärkt mit skipetarischer Angriffslust zu tun. Acht Albaner wurden in Prizren verhaftet, weil sie auf einen Kfor-Checkpoint geschossen hatten. Derartige Zwischenfälle passierten auch in Pec und Djakovica.

Doch mehr als die kosovo-albanische Schießwut beunruhigt den Westen die Ungeduld der UCK-Regierung, endlich die Amtsgeschäfte in der Provinz übernehmen zu können. In 25 der 27 Bezirke der Region hat die UCK - von der Uno als "widerrechtlich" bezeichnete - Verwaltungen eingerichtet und baut sich langsam ihren Staat in einem Staat auf, den es eigentlich nicht gibt.

Die UCK betont immer wieder, daß ihre Regierung funktioniere und zurückgekehrten Kosovo-Albanern beim Aufbau einer Existenz helfe. Meist folgt in solchen Erklärungen ein Seitenhieb auf die zivile Verwaltung der Uno, Unmik, die "meist abwesend" sei. Rame Buja, der von der UCK gestellte "Minister für lokale Administration" etwa meint: "Die Unmik ist in so vielen Angelegenheiten völlig überfordert. Dennoch ignorieren sie uns." Tatsächlich ist die Unmik knapp zwei Monate nach dem Ende des Kosovo-Krieges noch immer im Aufbau begriffen und hat damit ein politisches Vakuum verursacht, das die UCK gerne ausfüllt.

Besonders interessiert ist die UCK an der Errichtung einer eigenen Polizeitruppe als Zeichen der Macht. Weil auch hier die Uno überfordert scheint, hat die Guerilla gute Chancen, dieses Ziel zu erreichen. Eigentlich sollten 3 100 Polizisten aus Mitgliedsländern der Uno in nächster Zukunft die Kfor im Kosovo ablösen, aber von dieser Zahl ist die Polizeitruppe noch weit entfernt: Knapp 200 von 474 bereits im Kosovo eingetroffenen Polizisten konnten bisher auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.

Helfen soll bei dieser Präsenz zumindest eine lokale Polizeitruppe, die sowohl aus Serben als auch aus Kosovo-Albanern bestehen soll. Doch an ein Gleichgewicht ist nicht zu denken: Bisher haben sich 17 111 Menschen für den Polizeidienst beworben, nur 500 davon sind Serben. Schlecht vorstellbar, daß die mit den 4 000 Ex-UCK-Kämpfern zusammenarbeiten könnten, die sich ebenfalls beworben haben.

"Das Fehlen einer Polizeitruppe" macht die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gar für die Radikalisierung der UCK verantwortlich: Die Organisation veröffentlichte Anfang August einen Bericht, der den Schluß nahelegt, daß die UCK systematisch die Vertreibung der etwa 100 000 verbliebenen Serben im Kosovo vorbereitet.

Auf diesen Bericht wiederum reagierte auch das Den Haager Kriegsverbrechertribunal: Graham Blewitt, Ankläger in Den Haag, drohte der UCK schwere Konsequenzen an: "Wenn das die offizielle Politik der UCK ist, dann fällt das in unseren Tätigkeitsbereich und ist Teil unserer Ermittlungen." Slobodan Milosevic hat also die berechtigte Hoffnung, seine Zelle mit UCK-Chef Hashim Thaci zu teilen.