Wo waren Sie als das Sparwasser-Tor fiel?

Jürgen Sparwasser ist heute Vorsitzender der VdV

Aufregend war das Spiel vor allem für die Funktionäre in Ost und West. Von seiten der Politik und der Medien wurde ein wahnsinniger Wirbel darum gemacht - dieses war schließlich das erste und einzige Mal, daß die beiden deutschen Staaten bei einem Fußballspiel aufeinandergetroffen sind, und da hatte jeder so seine Erwartungen und Hoffnungen. Im Westen war man ohnehin fest davon überzeugt, daß die DDR nicht gewinnen könne - die Bild-Zeitung hat ja auch am Spieltag selbst einen Artikel veröffentlicht, "Warum wir heute gewinnen", und versucht, die Zusammenstellung der Spieler zu analysieren. Mein Gegenspieler Schwarzenbeck wurde als Techniker beschrieben, ich als hölzern bezeichnet.

Aber, so blöd das klingen mag, für uns war es ein ganz normales Länderspiel wie jedes andere auch. Natürlich ist es das Größte für einen Fußballspieler, bei einer WM mitzuspielen. Und für uns war es eine Möglichkeit, international zu beweisen, daß wir nicht nur im Vereinsfußball, sondern auch als Nationalmannschaft sehr gut waren. Die Atmosphäre im Stadion war gut, die Hamburger waren ein faires Publikum. Sie waren nicht negativ gegen uns eingestellt, und wir haben Beifall bekommen. Es war fast wie ein Heimspiel.

Nach dem Spiel haben dann Overath und Breitner auf mich gewartet, und wir haben noch im Tunnel Trikots getauscht. Später kam dann noch Berti Vogts mit den ganzen verschwitzten Trikots, die haben wir dann auch noch ausgetauscht. Wir waren in Quickborn untergebracht. Beim Training konnte jeder kommen und zusehen oder sich Autogramme holen. Unser Hotel dagegen war von bundesrepublikanischen Sicherheitskräften abgeschirmt. Es hatte auch eine Bombendrohung gegeben. Nach Gelsenkirchen, wo wir unser nächstes Spiel hatten, sind wir richtiggehend geschleust worden. Vier Busse fuhren ohne uns, und wir sind in den fünften eingestiegen. Passiert ist nichts, aber man mußte die Drohung schon ernst nehmen.

Als übrigens der FC Bayern München sein Gastspiel in Magdeburg gegeben hat, sind die Bayern nicht mit uns zum Essen gegangen, weil sie Angst hatten, vergiftet zu werden. Statt dessen haben sie sich in ihren Bus gesetzt und ihre mitgebrachten Sachen gegessen. 1979 habe ich meine Schuhe an den Nagel gehängt und zehn Jahre in Magdeburg an der Pädagogischen Hochschule als Hochschullehrer gearbeitet. Und dann hat man mich bei einem Altherrenspiel im Westen vergessen, da ist der Bus ohne mich losgefahren - das war natürlich so geplant, daß wir in der BRD blieben. Ich habe dann bei der Eintracht Frankfurt die Amateurmannschaft trainiert.

Ich werde ja öfters gefragt, wie das damals für mich war. Das Tor hat ja in irgendeiner Weise Sportgeschichte geschrieben. Aber in den Medien ist es immer völlig übertrieben dargestellt worden, daß ich als Held gefeiert worden wäre. Das ist alles Quatsch. Natürlich habe ich durch dieses Spiel eine gewaltige Popularität gewonnen. Auf meinem Sarg müßte nur stehen "Hamburg 1974", und schon wüßte jeder Bescheid. Man hat auch versucht, meinen Namen zu vermarkten, einmal wollte sogar eine Firma ihr Mineralwasser "Sparwasser" nennen. Aber es gab keine große Ehre und auch keine besondere Prämie. Es war eben das Spiel der Funktionäre.

Das war's. Zwei Jahre Sparwasser sind genug. Demnächst: Wo waren Sie, als Uli Hoeneß den Elfmeter verschoß?

"Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?", erschienen im Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1998, 128 S., DM 20