Der Balkan-Boy vom BDI

Schröder schickt seinen ungeliebten Kanzleramtsminister Bodo Hombach ins Kosovo. Der BDI freut sich schon auf Aufträge vom neuen EU-Südosteuropa-Beauftragten

Peter Hintze weiß Bescheid. Kanzleramtsminister Bodo Hombach habe keine Ahnung von Europa und vom Balkan erst recht nicht, so der europapolitische Sprecher der deutschen Christdemokraten, der über den Balkan allerdings auch nur weiß, daß sich da lauter Religionen tummeln, mit denen er nichts zu tun haben will. Wenn so einer Europasprecher werden kann, mag Bundeskanzler Gerhard Schröder gedacht haben, warum soll dann der Bodo nicht auf den Balkan?

Daß Hombach langsam weg mußte aus Bonn, das war Schröder schon lange klar. Spätestens seit der Veröffentlichung des Schröder/Blair-Papiers, an dem Hombach maßgeblichen Anteil hatte, war der neoliberale Sozi und ehemalige NRW-Wirtschaftsminister bei einem großen Teil der SPD-Fraktion unten durch. Nicht gerade glücklich auch sein Agieren beim sogenannten Bündnis für Arbeit: Ein staatlich subventionierter Niedriglohnsektor sollte nach Hombachs Konzept für die breite Einführung von Billigjobs sorgen; so hätte man die Arbeitslosenstatistiken frisieren können.

Hombach wurde für Schröder zur Belastung, und kaum einer - mit Ausnahme der Unternehmerverbände, die einen Verbündeten verlieren - weint dem ehemaligen SPD-Wahlkampfmanager eine Träne nach. Aber was hat Hombach ausgerechnet auf dem Balkan verloren?

Fakt ist, daß Schröder mit Hombachs Demissionierung zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Er wird den ungelittenen Rheinländer los; darüber hinaus besetzt Schröder einen hohen EU-Posten mit einem engen Vertrauten. Immerhin soll Hombach EU-Beauftragter für den sogenannten Balkan-Stabilitätspakt werden - vorausgesetzt, daß Schröder seinen Vorschlag durchsetzen kann. Denn auf dem Sondertreffen der EU-Außenminister in Rio de Janeiro am vergangenen Wochenende fand der Kandidat keine Mehrheit. Vor allem Österreich und Griechenland haben starke Vorbehalte gegen die Benennung Hombachs. Jetzt müssen die Regierungschefs entscheiden.

Sollte Hombach tatsächlich den Job bekommen, der ihm 50 000 Mark netto auf EU-Kosten einbringt, dürfte dies bedeuten: Deutschland wird wohl einen Großteil der Summe, die für den Stabilitätspakt notwendig ist, aufbringen und damit seinen Einfluß in der Region ausbauen. Wer das Geld gibt, hat schließlich auch am meisten zu sagen, wofür es ausgegeben wird und wofür nicht.

Mittlerweile haben sich auch die EU-Planungen konkretisiert, wieviel Geld für den Wiederaufbau des Kosovo locker gemacht werden soll. Insgesamt kommen auf die Europäische Union Kosten in Höhe von 2,1 Milliarden Euro zu, schätzt EU-Außenkommissar Hans van den Broek. Die Belastungen könnten jedoch auf fünf Milliarden steigen. In den kommenden drei Jahren plant die EU in ihrem Haushalt je 500 bis 700 Millionen Euro für die Wiederaufbauhilfe ein. Für das laufende Jahr hat Brüssel bereits 332 Millionen Euro bereitgestellt.

Damit auch alles seine Ordnung hat, wird die EU in Pristina eine sogenannte Wiederaufbau-Agentur errichten, die die Projekte koordinieren soll. Spätestens im September oder Oktober soll die Agentur, die nach drei Jahren wieder aufgelöst werden soll, arbeitsfähig sein. Das schafft Arbeitsplätze: Rund 300 Experten - Architekten, Ingenieure, Ärzte u.a. - will die EU einstellen.

Ob die Agentur aber auch die Mittel zur Verfügung haben wird, die tatsächlich nötig wären, darf getrost bezweifelt werden. Allein für das Kosovo werden mindestens fünf Milliarden US-Dollar veranschlagt. Bisher ist noch nicht geklärt, woher das Geld kommen soll. Im Juli will die EU gemeinsam mit der Weltbank eine erste Geberkonferenz für das Kosovo durchführen. Diese soll allerdings nur die Mittel für die dringendsten Bedürfnisse bereitstellen. Eine weitere Geberkonferenz folgt dann im September.

Auf unbestimmte Zeit wurden die Anrainer-Staaten vertröstet. Ein Termin für eine dritte Geberkonferenz, die sich mit der Hilfe für die Nachbarstaaten beschäftigen soll, steht noch nicht fest. Fraglich ist, so van den Broek, ob sie überhaupt stattfindet. Der EU-Außenkommissar blieb auch gegenüber Jugoslawien hart: Kohle gibt's erst, wenn Slobodan Milosevic abdankt. Süffisant leistete van den Broek einer weiteren Aufspaltung Jugoslawiens Vorschub: Zwar dürfe die Bundesrepublik keine Gelder erhalten, die Teilrepublik Montenegro aber benötige Unterstützung.

Allerdings gibt es auch in Jugoslawien Politiker, die gar keine Unterstützung von den Staaten wollen, die für die immensen Zerstörungen verantwortlich sind. Sein Land werde sich nicht "für ein paar Silberlinge" verkaufen und brauche keinen Marshall-Plan des Westens, erklärte der Ultranationalist und stellvertretende serbische Ministerpräsident Vojislav Seselj im Spiegel.

"Wir brauchen keine Hilfe. Wirtschaftlich werden wir mit allen zusammenarbeiten, nach dem Prinzip der Gleichberechtigung und der wirtschaftlichen Interessen. Die Russen dürfen eine Brücke in Novi Sad wiederherstellen, die restlichen Donaubrücken muß Deutschland wieder aufbauen, will es die Donau nutzen. Deutschland hat Milliarden Mark in den Rhein-Main-Donau-Kanal investiert, die fließen sonst in den Sand." Außerdem kündigte der serbische Nationalist an, sein Land werde die Auslandsschulden von zwölf Milliarden Dollar nicht zurückzahlen, sondern mit den Kriegsschäden aufrechnen.

Der Nato-Krieg gegen Jugoslawien hat nach Berechnungen einer unabhängigen Gruppe von jugoslawischen Ökonomen einen Gesamtschaden von mindestens 28,5 Milliarden Euro angerichtet. In dieser Bilanz sind sowohl die Kosten für die zerstörte Infrastruktur als auch kriegsbedingte Produktionsausfälle berücksichtigt - das jugoslawische Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr kriegsbedingt um mehr als 40 Prozent sinken. Nicht einbezogen wurden ökologische Schäden. Als Soforthilfe benötige das zerstörte Land, so die 17 in der Gruppe zusammengeschlossenen Experten, rund 1,1 Milliarden Euro. Damit müßten Flüchtlinge versorgt, die Energieversorgung wiederhergestellt sowie Häuser und Brücken wiederaufgebaut werden.

Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche kommt zu ganz anderen Zahlen. Die Kosten für den Wiederaufbau und eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung der Balkanregion schätzen die Wiener Forscher auf insgesamt 100 Milliarden Dollar. Ziemlich sicher ist, daß eine solche Summe niemand aufbringen wird. Auch nicht die EU und ihr Balkan-Boy Bodo.

Egal, wieviel Geld - ganz ohne jedenfalls wird es nicht gehen - tatsächlich nach Südosteuropa fließen wird, deutsche Firmen wollen selbstverständlich von den Brüsseler Balkanmitteln profitieren. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ludolf von Wartenberg, erwartet "eine angemessene Beachtung der deutschen Wirtschaft" beim Aufbau Südosteuropas. Es dürfe, so von Wartenberg, nicht der gleiche Fehler wie in Bosnien begangen werden, wo Deutschland ein Drittel der Kosten übernommen, aber nur zwischen vier bis acht Prozent der Aufträge erhalten habe.

Daß Hombach nun den Job des Balkan-Beauftragten machen soll, das begrüßte von Wartenberg ausdrücklich. Immerhin hat sich der Kanzleramtsminister schon in der delikaten Frage der Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter als knallharter Verteidiger der Interessen deutscher Konzerne beliebt gemacht.

Daß die Kriegsgewinnler bleiben, was sie sind, dafür wird Hombach schon sorgen, hofft die deutsche Wirtschaft. Schließlich hat der internationale Kampf um die Aufträge zum Wiederaufbau im Kosovo bereits begonnen. Schröders Hombach-Coup hat den Deutschen dafür eine gute Ausgangsbasis verschafft.