Unpopuläres Fußvolk

Während die Rechtsextremen bei den Europaparlaments-, Landtags- und Kommunalwahlen meist schlechte Ergebnisse erzielten, ist Sachsens NPD auf Erfolgskurs

Ein ambivalentes Ergebnis: Ob bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, den Europawahlen oder den Bremer Landtagswahlen, fast überall haben rechtsextreme Parteien schwere Einbußen hinnehmen müssen. Der Trend, der sich schon bei den Bundestagswahlen abzeichnete, hat sich fortgesetzt. Ganz anders in Sachsen: Dort kann sich die NPD über erhebliche Stimmenzuwächse freuen. Künftig wird die neonazistische Partei in einem Kommunalparlament, einem Kreistag und sechs Stadträten vertreten sein.

Besonders bitter stellt sich dagegen das Wahlergebnis der Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt für die DVU dar. Die Frey-Partei, die in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht erst angetreten war, hat in Sachsen-Anhalt offenbar jegliche Glaubwürdigkeit als "Protestpartei" für Rechtswähler verloren. Von den 12,9 Prozent der WählerInnen, die sich bei den Landtagswahlen im April 1998 für die Rechtsextremen entschieden hatten, blieben bei den Kommunalwahlen gerade noch 0,4 Prozent der DVU treu.

Trotz magerer Ergebnisse zieht nun jeweils ein Kandidat der DVU in die Kreistage von Magdeburg und Halberstadt ein. Deren in Sachsen-Anhalt de facto nicht existente Basisstruktur sowie interne Streitigkeiten der DVU-Landtagsabgeordneten haben wohl die Anziehungskraft von Freys nationalistisch-populistischen Parolen unterminiert. Angesichts des schnellen Spaltungsprozesses von DVU-Landtagsfraktionen konnte auch der kleine Wahlerfolg in Bremerhaven die Laune im Münchener Hauptquartier nur wenig heben. Dort gibt man sich aber zweckoptimistisch. Schließlich will die Partei bei den Landtagswahlen im September in Brandenburg einen ähnlichen Coup wie im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt wiederholen.

Geplant ist ein Werbeblitz, der knapp vierzehn Tage vor der Wahl einschlagen soll. Mit rund 50 000 Plakaten und 500 000 Wahlprogrammen will die DVU Potential an RechtswählerInnen abschöpfen. Rund 2,5 Millionen Mark sollen investiert werden - in der Hoffnung, sich durch die Wahlkampfkostenrückerstattung wieder zu sanieren.

Doch inwieweit die Brandenburger DVU-Truppe um den ehemaligen NVA-Unterfeldwebel Axel Hesselbarth aus Strausberg und den "Spitzenkandidaten" Michael Claus aus Petershagen dazu in der Lage sein wird, die Richtlinien aus München buchstabengetreu umzusetzen, ist noch offen. Ähnlich wie in Sachsen-Anhalt existiert die DVU auch in Brandenburg bisher nur auf dem Papier. Nach Angaben des brandenburgischen Verfassungsschutzes stagniert die Mitgliederzahl seit Jahren bei knapp 500.

Trotzdem bleibt die DVU bei den brandenburgischen Landtagswahlen die größte Gefahr von Rechts. Denn die NPD, die in Sachsen-Anhalt gar nicht erst zu den Kommunalwahlen antrat, konnte in Mecklenburg-Vorpommern gerade einmal 1,9 Prozent der Stimmen gewinnen.

Viel besser wird es auch für den Brandenburger Landesverband nicht aussehen, solange er die NPD als die Partei der rechten Schläger und Glatzen präsentiert. Von der Notwendigkeit, Wahlkämpfe zu organisieren, ist dieses Fußvolk kaum zu überzeugen. Mit neonazistischen Aufmärschen wie in Neuruppin und Frankfurt / Oder im April gelingt es ihr lediglich, das schlagende Jungvolk an sich zu binden.

Anders allerdings in Sachsen: Die Erfolge, mit denen die NPD aus den dortigen Kommunalwahlen kommt, dürften wohl dem populistischen Konzept geschuldet sein, mit dem der Landesverband innerhalb der Gesamtpartei auf Konfrontation gegangen ist. In dem mit 1 400 Mitgliedern stärksten Verband verfolgt der Vorsitzende Jürgen Schön seit Mitte letzten Jahres einen Abgrenzungskurs gegenüber den aggressiver auftretenden Freien Kameradschaften. Um das potentielle Wahlvolk nicht zu vergrätzen, verwahrten sich die sächsischen Rechtsextremisten auch dagegen, daß der diesjährige 1. Mai-Aufmarsch der NPD in Leipzig stattfindet.

Das Ergebnis spricht für sich. In Sachsen, wo es die NPD zudem am besten verstand, sozialistische Parolen mit rechtsextremistischen Positionen zu verbinden, brachten es die Neonazis mehrmals auf Ergebnisse zwischen drei und sieben Prozent. Künftig werden deren Vertreter mit je einem Sitz in den Stadtparlamenten von Meißen, Riesa, Sebnitz und Wurzen sowie im Kreistag der sächsischen Schweiz sitzen. Gleich zwei Abgeordnete kann die NPD in den Stadtrat von Königsstein schicken, wo sie auf 11,8 Prozent der Stimmen kam.

Zufrieden wird die Partei auch über ihr Ergebnis bei der Europawahl sein. 0,4 Prozent der Stimmen hört sich zwar gering an; doch in Zahlen übersetzt bedeutet dies, daß bundesweit über 100 000 Menschen für eine explizite Neonazipartei gestimmt haben. Im Vergleich zu den letzten Europawahlen im Jahr 1994 konnte die NPD ihren Stimmenanteil damit also verdoppeln. Nun mißt man den anstehenden Wahlen eine erhebliche Bedeutung zu: In den letzten Monaten sind zahlreiche Führungskader nach Brandenburg umgezogen und treten dort mittlerweile bei jedem regionalen Aufmarsch auf.

Während die NPD sich nach wie vor nicht zwischen den Optionen einer neonazistischen Bewegungs- oder Wahlpartei entscheiden kann und will, haben sich die Republikaner längst festgelegt - und damit nach allen Seiten verloren. Bei den Europa-Wahlen halbierte sich gegenüber den Wahlen von 1994 der Stimmenanteil auf magere 1,7 Prozent; selbst im Stammland Baden-Württemberg erhielten sie gerade noch 3,3 Prozent der Stimmen.

Die heftige Debatte um den Kurs von Parteichef Rolf Schlierer, die die Partei seit einigen Jahren lähmt und zum Übertritt ganzer Kreisverbände in die DVU geführt hat, nimmt an Schärfe zu. Chancen auf irgendeine Art von parlamentarischem Erfolg rechnen sich die Reps momentan nur noch bei den im Oktober anstehenden Wahlen in Berlin aus, wo die Fünf-Prozent-Hürde für eine Vertretung in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) aufgehoben worden ist. Zumindest im Westteil der Stadt können sich einige Reps Hoffnungen auf einen Sitz in den kommunalpolitisch einflußreichen Feierabendparlamenten machen.

Die Niederlagen der rechtsextremen Parteien in einigen Regionen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die publizistische Präsenz in der Vorwahlkampfzeit ihre Wirkung nicht verfehlt hat. Durch ständige Aufmärsche, Plakate und Wahlwerbestände konnten NPD, DVU und Reps neonazistische und rassistische Propaganda verbreiten.

Die scheinbare Gewöhnung und Gleichgültigkeit weiter Teile der Bevölkerung angesichts wöchentlicher Aufmärsche haben dazu beigetragen, rechtsextreme Inhalte weiter in der Mitte zu verankern - auch wenn die Übereinstimmung mit den rechten Parolen sich derzeit vielleicht nicht an den Wahlurnen manifestiert.

Dies kann sich schnell ändern, insbesondere für den Fall, daß die zerstrittenen Parteien taktische Wahlbündnisse schließen und damit eine der drei Parteien das gesamte RechtswählerInnenpotential abschöpfen könnte.