Staatlicher Antisemitismus im Iran

Zionisten und Spione!

Erst wurde es stolz verkündet, heute will niemand mehr davon wissen. Hieß es am vergangenen Dienstag im iranischen Rundfunk und Fernsehen noch, 13 prominente iranische Juden müßten sich demnächst vor einem islamischen Gericht verantworten, dementierten einen Tag später - nach Protesten aus dem Ausland - die Medienund behaupteten nun, dies nie gesendet zu haben.

Vor mehr als zwei Monaten waren drei Rabbiner und zehn Lehrer jüdischer Schulen, allesamt Mitglieder der beiden ältesten jüdischen Gemeinden aus Isfahan und Schiraz, festgenommen worden. Die iranische Regierung wirft ihnen Spionage für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad und die CIA vor.

Nach den islamischen Gesetzen im Iran sind die Juden Staatsbürger zweiter Klasse. Als juristische Grundlage der Anklage dienen die Prinzipien des Qisas-Rechts. Dieses offizielle Strafrecht unterscheidet zwischen Angehörigen des Islam und Angehörigen vorislamischer Religionen, die im Iran anerkannt werden (Dimmijis). Zu ihnen werden auch Christen und Juden gezählt. Nach dem Qisas-Recht wird in der Regel für Spionage die Todesstrafe verhängt.

Dies weiß auch die internationale Diplomatie und versucht nun alles, um die 13 inhaftierten Juden vor ihrem sicheren Tod zu retten. Der israelische Außenminister Ariel Sharon bat den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, sich als Vermittler zu betätigen. Auch der Papst, der marokkanische König Hassan II. und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder wurden gebeten, sich für die iranischen Juden einzusetzen.

Kritisiert wurde die Inhaftierung von fast allen westlichen Staaten. Auch von Abraham Foxman, dem Direktor der Anti Diffamation League aus den USA: "Wenn sie zu den klassischen Methoden der Schaffung von Sündenböcken greifen, zeigen sie, daß der Iran sich nicht verändert hat."

Der iranischen Regierung ist das schon zuviel. Nach einer Meldung der iranischen Nachrichtenagentur Irna kritisierte Hamid Resa Assefi, Sprecher des iranischen Außenministeriums, die "verantwortungslosen Aussagen einiger westlicher Kreise, die auf ihre Vorurteile und den Versuch der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran" zurückzuführen seien.

Mohssen Resai, ehemaliger Chef der Pasdaran (Revolutionswächter) und inzwischen zum Direktor des Schlichtungsrats aufgestiegen, ging noch einen Schritt weiter. Vergangene Woche warnte er davor, gegenüber "dem Zionismus" nachlässig zu handeln. Die USA und der "Zionismus" seien nicht zu trennen, daher müßte eine Einheit zwischen dem Iran und der arabischen Welt entstehen.

Um diese Einheit bemüht sich der iranische Präsident Mohammad Khatami. Zuletzt traf er sich Mitte Mai mit Vertretern der libanesischen und vom Iran unterstützten Terror-Organisation Hizbollah (Partei Gottes) und anderer militanter islamistischer Organisationen aus der Region. Den Organisationen wurde für ihren Kampf gegen Israel - und für die "Befreiung Jerusalems" - weitere moralische und finanzielle Hilfe aus dem Iran zugesagt.

Die Befreiung vom "Zionismus" im eigenen Land ist der iranischen Regierung fast gelungen: Lebten bis Ende der achtziger Jahre nach Angaben des Statistischen Bundesamtes noch mehr als 150 000 Juden im Mullah-Staat, zählen die jüdischen Gemeinden im Iran mittlerweile nur noch 25 000 bis 30 000 Mitglieder.