Schuldenerlaß zur Wahl

Nigerias künftiger Präsident ist noch nicht im Amt, hat aber bereits reichlich zu taktieren

Der künftige nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo ist nicht zu beneiden. Nur einen guten Monat nach seinem Wahlsieg wird ihm übel mitgespielt. Das Militär treibt ihn vor sich her und versucht, bis zu seiner Vereidigung am 29. Mai vollendete Tatsachen zu schaffen. Auch die sogenannte internationale Gemeinschaft hat ihm schon einige Prioritäten vorgegeben.

Die nigerianische Junta hat die seit Wochen erwartete Verfassung des Landes immer noch nicht veröffentlicht. Ursprünglich sollte die Verfassung der Zweiten Republik (1979 bis 1983) gelten. Nach Protesten wurde dann jedoch eine neue Variante präsentiert: Eine Mischung von Teilen der Verfassung der Zweiten Republik mit Teilen der vor den Wahlen 1993 geschaffenen Rechtsordnung.

Auf diese Weise wurden die Amtszeit und die Befugnisse des neuen Präsidenten nicht näher bestimmt. Auch das berüchtigte Dekret Nummer zwei, nach dem die Inhaftierung von Personen ohne die Zustimmung eines Gerichtes erlaubt ist, wurde bislang nicht aufgehoben. Dies nährt den Verdacht, daß die Militärs zumindest in der nächsten Zeit noch die Kontrolle ausüben wollen.

Zu den ersten ernsthaften Verstimmungen zwischen dem ehemaligen Junta-Chef Obasanjo und der Junta kam es aber nicht wegen unterschiedlicher Rechtsauffassungen. Differierende Pläne zur Reform der Wirtschaft und die zukünftige Zusammenarbeit Nigerias mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) lösten einen handfesten Krach aus. Die Militär-Regierung um Abdulsalam Abubakar hatte im Januar mit dem IWF ein dreijähriges Strukturanpassungsprogramm beschlossen, weitreichende Privatisierungsmaßnahmen vor allem im Energie- und Telekommunikationssektor haben bereits begonnen.

"Ich befürchte, daß das alles blockiert wird, wenn Obasanjo verschiedene Leute mit verschiedenen Ansichten in ein Ministerium beruft, die gegeneinander arbeiten", äußerte Mitte März einer von Abubakars Beratern: "Es gibt keine Alternative zu Reformen. Das ist es, was wir ihnen zu erklären versuchen, bevor sie mit irgendwelchen anderen Ideen ins Amt kommen."

Nach einem Treffen mit IWF-Direktor Michel Camdessus eine Woche später gab Obasanjo schließlich nach. Auf die Frage, ob er dem IWF seine rückhaltlose Unterstützung für das von den Militärs begonnene Programm gegeben habe, antwortete er gereizt: "Ich habe, ich habe!" Obasanjo hatte zwar vor den Wahlen seine prinzipielle Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem IWF erklärt, aber auch darauf hingewiesen, daß Privatisierungen transparent durchgeführt werden müßten. Seit Jahrzehnten häufen sich in Nigerias Wirtschaft und Verwaltung die Korruptionsfälle.

Doch nicht nur von seiten der Militärs wächst die Kritik an Obasanjo: Nigerias Unternehmer werfen ihm vor, daß er im Gegensatz zu seinem Herausforderer Olu Falae kein kohärentes wirtschaftliches Programm vorweisen konnte, sondern sich in seinem Wahlkampf

zu sehr auf sein Image als erfahrener Staatsmann verlasse. Diese Rolle wiederum wird von Menschenrechtlern kritisiert: "Mit Obasanjo hat 1976 doch alles angefangen: Die Zerschlagung der Gewerkschaften per Gesetz, die Verletzung der Pressefreiheit, die Knebelung der Universitäten nach dem Streik von 1978 in Lagos", erklärt beispielsweise Gani Fawehinmi, Rechtsanwalt in Lagos und Kritiker der verschiedenen Militärregierungen Nigerias. Olu Falae, der Verlierer der Präsidentschaftswahlen, hat inzwischen gegen das Wahlergebnis Beschwerde vor Gericht eingelegt. Doch dies muß dem künftigen Präsidenten keine größeren Sorgen machen - seine Partei stellt sowohl die Mehrheit der Abgeordneten im Senat als auch im Repräsentantenhaus. Und auch die meisten Gouverneure der Bundesstaaten sind auf seiner Seite.

Hinzu kommt der internationale Rückhalt für Obasanjo: IWF-Chef Camdessus sagte ihm seine "größtmögliche Unterstützung" für einen baldigen Schuldenerlaß des Landes zu: Nigeria steht international mit 33 Milliarden US-Dollar in der Kreide. Die IWF-Hilfe zeigt, welche besondere Bedeutung Nigeria in Afrika einnimmt. Denn eigentlich ist ein Schuldenerlaß nur für die am schwächsten entwickelten Länder Afrikas vorgesehen, zu denen das Erdölförderland Nigeria nicht gehört.

Die internationale Unterstützung erfolgt allerdings nicht ohne Gegenleistung: Einen der Hauptpunkte seiner geplanten Außenpolitik hat Obasanjo schon aufgeben müssen. Vor den Wahlen hatte er angekündigt, daß er 15 000 in Sierra Leone stationierte nigerianische Soldaten so schnell wie möglich zurückholen wolle. Nach einem Besuch des britischen Außenministers Robin Cook, der zu den Freunden des sierra-leonischen Präsidenten Tejan Kabbah gehört, schwächte Obasanjo sein Wahlversprechen deutlich ab. Nun hieß es, Nigeria werde die Regierung in Sierra Leone nicht alleine lassen.