Ulrich Meyers 200. "Akte - Reporter decken auf"

Der animierte Moderator

Wo Ulrich Meyer hingestikuliert, da regt sich kein Widerspruch mehr. Wenn er bei der Vorstellung der 200. Sendung seiner "Akte", des "erfolgreichen Reportermagazins", behauptet, dies sei das Fernsehen für den kleinen Mann, ein Magazin, das auf der Seite des Zuschauers sei, und das mit Marktanteilen von bis zu 25 Prozent bei den 14 bis 29jährigen Zuschauern untermauert, bleibt einem nichts übrig, als sich auszumalen, wie groß die Waschkörbe für die täglich eingehende Zuschauerpost wohl sind.

"Akte 99" dreht sich tatsächlich nur um den kleinen Mann, die kleine Frau und deren Probleme. Als da wären: der "Torsomörder von Hannover", die "schöne neue Telefonwelt" , die skrupellosen Geschäftemacher, die aus der Verzweiflung von Menschen, die nur ein paar Mark dazuverdienen wollen, Profit schlagen, ein verlorener Ausweis und der Millionenschaden, den Verbrecher anrichten, eine Blackbox für Führerscheinneulinge.

Das volle Programm also, Sprachrohr der schweigenden Mehrheit draußen vor den Bildschirmen, Boulevard und Investigation. Hier wird hart nachgefragt, und niemand läßt sich mit billigen Antworten abspeisen. Unerbittlich werden die Machenschaften der feinen Herren aufgedeckt, die die weniger feinen über den Tisch ziehen und betrügen wollen. Deshalb heißt es auch im Untertitel "Reporter decken auf".

Das ist ja nun alles nichts Besonderes, eines unter vielen Fernsehmagazinen, mit ein wenig höherer Einschaltquote vielleicht, wenn da nicht das Internet wäre. Genau, das Internet, dies Computerdingens aus Amerika, mit den ganzen Kinderpornoseiten drin, das, wo alle immer über Sex chatten und wo niemand so genau weiß, wo es anfängt, hinführt oder weitergeht. Und das Internet ist für ein Magazin wie "Akte" ideal.

Alle Themen der Sendung, von "Ermordet-zerstückelt-gekocht-gegessen" bis zum Verbraucherschutz, können Internet-mäßig verhandelt werden und gewinnen damit einiges an verschwörungstheoretischer Brisanz. Selbst ein Beitrag über eine Peepshow-Homepage-Stripperin, die ihr Geld nicht bekommt, weil irgend jemand irgendwo irgendwas manipuliert.

Denn gerade weil es einfache Dinge sind, die plötzlich undurchschaubar werden, und Adressen von Homepages eben nicht auf dem Stadtplan auffindbar sind, ist es natürlich besonders Boulevard-tauglich, Bösewichter aufzuspüren, die im Netz agieren.

Auch der Millenium-Crash, das Computergespenst zur Jahrtausendwende, gewinnt durch Aktionen wie die, in ganz normalen Kaufhäusern mit versteckter Kamera Computer auf ihre Millenium-Fähigkeiten zu testen, eine ganz neue Qualität. Mit diesen Themen zielt "Akte" auf das quotentechnisch wichtige Publikum unter 49, eine Zielgruppe, die bei Sat.1 notorisch vernachlässigt wird.

Hier kommt dann wieder Ulrich Meyer ins Spiel. War seine Gestik und Mimik bei "Einspruch", der Vorlage aller Schrei-Shows, noch etwas zu offensiv auf Jetzt-entschlossen-nachgefragt oder Jetzt-nachdenklich-nachgedacht oder Jetzt-sensibel-nachgehakt getrimmt, paßt sie jetzt perfekt.

Aus Meyer 4.0 wurde Meyer 7.0, und der funktioniert wie ein animierter Moderator von der Festplatte. Selbst wenn er einmal zwischen zwei Worten eine zu lange Pause macht, wirkt das, als käme es aus einem Special-Effects-Programm. So sieht er aus, der Larry-Croft-2000.