Walker allein zu Haus

Zu Beginn der zweiten Runde von Rambouillet steht der OSZE-Chef William Walker offenbar vor der Ablösung. Die Kämpfe im Kosovo gehen weiter

Daß der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic eher rüde Manieren hat, mußte der norwegische Außenminister und derzeitige OSZE-Vorsitzende Knut Vollebaek Anfang März recht drastisch feststellen: Während eines mehrstündigen Gespräches mit dem Herrn aller Serben prasselten auf den Skandinavier jede Menge Unfreundlichkeiten nieder. Empfangen wurde Vollebaek mit den Worten: "Was wollen Sie überhaupt in Belgrad?"

Die Antwort auf diese Frage erübrigte sich mehr oder minder, dagegen wurde über eine andere Analyse Milosevics länger diskutiert: Vollebaek wurde von seinem Gegenüber als "Laufbursche der Amerikaner" bezeichnet.

Das konnte der Norweger natürlich nicht auf sich sitzen lassen und deutete gegenüber Milosevic an, um des lieben Frieden willens einen seiner Mitarbeiter über die Klinge springen zu lassen: William Walker, OSZE-Missionschef in Pristina mit bewegter US-Geheimdienstvergangenheit, wird bald seinen Posten räumen müssen.

Schon als Walker im November engagiert wurde, galt er als Außenseiter und wurde insbesondere von den Europäern eher widerwillig ins Amt gelassen. Aus der EU-Verhandlungsdelegation im Kosovo-Konflikt verlautete damals gegenüber Jungle World, die US-Amerikaner hätten Walker gegen den Willen der europäischen Hausmacht innerhalb der OSZE installiert. Dabei hatten die US-Amerikaner leichtes Spiel, weil die maßgeblichen europäischen Experten sich weigerten, einen Posten zu übernehmen, der ohne Vollmachten ausgestattet und mit dem Stigma der nahenden politischen Katastrophe behaftet ist.

Vorerst wartete man in den Staatskanzleien Europas auf eine Möglichkeit, den Washington-hörigen OSZE-Chef endlich ausmanövrieren zu können. Ausgerechnet die UCK besorgte diesen Job mit dem offenbar inszenierten Massaker von Racak am 15. Januar. Wenige Stunden, nachdem OSZE-Teams die 45 Leichen von Racak entdeckt hatten, verstieg sich Walker zu der etwas voreiligen Behauptung, hier hätten serbische Polizeieinheiten ein Massaker an albanischen Zivilisten angerichtet. Diesen Vorwurf wiederholte Walker auch in den folgenden Wochen mehrmals.

Dabei zweifelten selbst OSZE-interne Berichte diese Version stark an. Wenn spätestens am 17. März die EU den Bericht finnischer Pathologen zum Massaker von Racak veröffentlichen wird, könnte Walker aller Voraussicht nach eines Besseren belehrt werden: Finnische Ärzte, die im Auftrag der EU die Leichen obduzierten, haben nach der Jungle World vorliegenden Informationen festgestellt, daß zumindest einige der Opfer Stunden nach ihrem Tod noch einmal "erschossen" wurden. Dies läßt den Schluß zu, daß die UCK einige ihrer getöteten Kämpfer mit Zivilkleidern ausstatteten und dann zwecks Vorspiegelung eines Zivilisten-Massakers auf die Leichen schossen.

Wie rasend die OSZE daran interessiert ist, Walker wieder zurück in die USA zu befördern, zeigen auch die verschlungenen Wege des offiziell noch geheimgehaltenen EU-Berichts: Zumindest die deutsche, italienische und wahrscheinlich auch die österreichische Delegation bei der OSZE-Zentrale in Wien verfügen schon seit mehreren Tagen über die wichtigsten Passagen des Berichts. Die Intrige gegen Walker begann vermutlich in Bonn: Da Deutschland derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hält das Bonner Auswärtige Amt schon länger den Racak-Bericht unter Verschluß und sorgte wahrscheinlich für dessen Rundlauf innerhalb der OSZE-Zentrale in Wien. Walker, so ist aus dem OSZE-Hauptquartier in Pristina zu vernehmen, wußte davon wohl nicht: Gegenüber Jungle World zeigte man sich in Pristina wütend über den Alleingang Wiens und den stockenden Informationsfluß zwischen Wien und Pristina.

Dieses bewußte Nicht-Informieren fruchtet nun: Als Nachfolger für Walker ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt der eigentlich pensionierte und in der Nähe Bonns lebende Diplomat Wilhelm Höynck vorgesehen. Er war bis vor drei Jahren Generalsekretär der OSZE in Wien, wechselte dann zur Delegation Deutschlands bei der Uno in Genf und leitet jetzt eher nebenberuflich die dortige Menschenrechtskommission. In einem Gespräch mit Jungle World deutete Wilhelm Höynck am vergangenen Sonntag an, das Auswärtige Amt in Bonn habe wegen der Nachbesetzung Walkers schon bei ihm angefragt und er sei über den Job "voll unterrichtet". Nur noch Chris Patten, bis Juli 1997 letzter Gouverneur in Honkong, werden ebenfalls Chancen eingeräumt, bald in den sonnigen Süden des Kosovo zu verreisen. Allerdings ist mehr als zweifelhaft, ob dies Joseph Fischer als EU-Ratsvorsitzender zulassen wird.

Die baldige Ablösung Walkers ist aber auch ein Teil des europäischen Entgegenkommens gegenüber Slobodan Milosevic. Am vergangenen Freitag trafen sich die Kommandeure der UCK im Gebiet Drenica und stimmten dem Friedensplan der internationalen Kontaktgruppe zu: "Das ist nicht die Lösung, die wir bevorzugten ... Aber sie verschließt nicht alle Türen für die Zukunft." Jetzt bleibt nur noch Milosevic übrig, und da sich der von den militärischen Drohungen der Nato bislang nicht beeindrucken läßt, muß er auch positiv motiviert werden. Mit Walker als "Laufburschen der USA" verbindet Milosevic eine tiefe Zwietracht. Die Ablösung des bisherigen OSZE-Chefs ist für den Westen immer noch am leichtesten zu verschmerzen.

Eine Verfrachtung des angefeindeten OSZE-Missionschefs in den vorzeitigen Ruhestand alleine wird aber nicht ausreichen, um Milosevic zum Einlenken zu bewegen. Der Möchtegern-Balkanchef sperrt sich nicht nur gegen die Spitze des OSZE-Beobachterkontingents, sondern auch gegen die Anwesenheit der Nato in der serbischen Krisenprovinz. Der Friedensplan sieht vor, daß rund 28 000 Nato-Krieger sich im Kosovo aufpflanzen und den brüchigen Frieden überwachen.

Damit dürfte auch der teilweise von Milosevic geblendeten Bevölkerung klarwerden, daß ihr Herrscher durch seine Politik genau jene ins Land gelassen hat, vor denen er immer wieder gewarnt hatte. Auch in einem Gespräch mit dem deutschen Außenminister Joseph Fischer machte Milosevic klar, er werde keinesfalls einer Truppe unter Vorsitz der Nato zustimmen. Fischer signalisierte daraufhin Gesprächsbereitschaft und meinte, über den Namen des bewaffneten Kindes könne man ja noch reden, nicht aber über Stärke und Bewaffnung.

Hier könnte erstmals seit ihrem Auftritt in Bosnien-Herzegowina wieder die Uno ins Spiel kommen, die ohnehin wieder einmal aus dem Schatten der Nato treten könnte. Aber auch das dürfte kaum funktionieren. Zoran Lilic, stellvertretender Premierminister Jugoslawiens, schloß am Wochenende den Einsatz einer Uno-Truppe anstelle von Nato-Streitkräften aus; dies sei weder ein Kompromiß noch eine akzeptable Lösung. Und wenn bei der UCK ruchbar würde, daß doch nicht die Freunde von der Nato die Bewachung ihres Reservates übernehmen, wäre der plötzlichen Stromlinienförmigkeit der albanischen Befreier wohl sofort ein Ende gesetzt. Schon jetzt weiß die UCK mit dieser Eventualität umzugehen und versucht, wieder die alte Guerilla-Taktik anzuwenden: Seit rund zwei Wochen operiert die UCK vor allem aus dem benachbarten Albanien und schickt ihre Kämpfer in kleinen Stoßtrupps zu den Einsatzorten im Kosovo.

Dort wurde der bevorstehende neue Verhandlungspoker am Samstag mit drei Bombenanschlägen flankiert. Die Attentate in Podujevo und Kosovska Mitrovica, zu denen sich bislang niemand bekannte, forderten mindestens sieben Todesopfer. Die serbische Seite machte Kosovo-Albaner dafür verantwortlich, die einen Nato-Angriff auf Serbien provozieren wollten. Von kosovo-albanischer Seite hieß es, Serben würden versuchen, die Verhandlungen zu sabotieren.

Während der immer mehr in den Hintergrund gedrängte Kosovo-Präsident Ibrahim Rugova in den vergangenen Tagen mehrmals den Termin im Kléber-Konferenzzentrum in Paris als formalen Akt des Friedensschlusses bezeichnete, sind die Vermittler immer weniger zuversichtlich: Der britische Außenminister Robin Cook sieht einen Zeitraum von mindestens einer Woche für die Verhandlungen vor, schließt aber eine Verlängerung um eine weitere Woche nicht aus.