Geteilte Teilrepublik

Mit der Entscheidung, Brcko unter internationale Verwaltung zu stellen, kann nun auch eine Spaltung der Republika Srpska nicht mehr ausgeschlossen werden

Das war dann auch Milorad Dodik zu viel. Der sozialdemokratische Ministerpräsident der bosnischen Republika Srpska und Wunschkandidat des Westens, schmiß letzte Woche hin: Brcko, die im Krieg eroberte, strategisch wichtige Stadt zwischen dem West- und dem Ostteil der serbischen Teilrepublik, unter internationaler Kontrolle? Ohne ihn.

Immer wieder hatte er seinen Wählern und Wählerinnen eingeredet, seine Freundschaft zu Spitzenpolitikern in den USA und seine Nähe zu Beamten des Hohen Repräsentanten für Bosnien, Carlos Westendorp, werde schon dafür sorgen, daß Brcko den bosnischen Serben zugesprochen werde, der Republika Srpska also, nicht der muslimisch-kroatischen Föderation.

Mehr als drei Jahre nach Abschluß des Dayton-Vertrags kam es jedoch anders, als Dodik versprochen hatte: Ein - in Dayton vereinbartes - internationales Schiedsgericht unter Leitung des früheren US-Diplomaten Robert Owen sprach für die Grenz- und Hafenstadt an der Save im Nordosten Bosniens einen "neutralen Status" aus. Nachdem die Entscheidung bereits zweimal vertagt worden war, wird der Ort nun also weder der Serbischen Republik noch der muslimisch-kroatischen Föderation zugeschlagen, sondern unter die direkte Verwaltung der gesamtbosnischen Zentralregierung gestellt.

Für Dodik ein Verrat: "Ich fühle mich in diesem Moment hintergangen, weil dadurch nur die ultra-nationalistischen Kräfte gestärkt werden. Wir bewegen uns auf eine Zeit extremer politischer Turbulenzen zu", kündigte er seinen Rücktritt von einem Posten an, den er ohnehin nur von Gnaden der internationalen Bosnien-Verwaltung innehatte.

Denn als im September letzten Jahres in der Srpska ein neues Parlament gewählt wurde, verlor Dodik die Mehrheit. Trotz massiver Einflußnahme der internationalen Bosnien-Verwaltung entschieden sich die Wähler gegen seine an der Erfüllung der Dayton-Kriterien ausgerichteten Politik. Statt dessen gewannen die Ultra-Nationalisten um den Vertreter der Radikalen Partei, Nikola Poplasen, die Mehrheit im Parlament; Poplasens Vorgängerin im Amt, Biljana Plavsic, wurde ebenfalls abgewählt.

Weil die internationalen Institutionen in Bosnien nicht wahrhaben wollten, was nicht sein durfte, zögerten sie die Veröffentlichung der Wahlergebnisse um drei Wochen hinaus - um dem unter Federführung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) durchgeführten Urnengang schließlich doch demokratische Legitimität zuzuerkennen. Poplasen, den der US-Balkan-Beauftragte serbischen Angaben zufolge als Verrückten bezeichnete, der in psychiatrische Behandlung gehöre, war seitdem Präsident, eine neue Regierung freilich konnte er nicht bilden.

So kam es, daß Dodik im Amt blieb - als Übergangsministerpräsident. Sein Rückhalt im Parlament indes blieb schwach, weil er sich nur auf eine unstabile Koalition von mehr oder weniger gemäßigten serbischen Parteien und die Stimmen der muslimisch-kroatischen Abgeordneten in Banja Luka stützen konnte. Unterstützung erhielt er vor allem aus den USA, die immer wieder auf eine Absetzung von Poplasen, eines Parteigängers des jugoslawischen Faschisten Vojislav Seselj, drängten - und am selben Tag damit Erfolg hatten, als auch der Brcko-Entscheid fiel.

Westendorp nutzte seine vor einem Jahr erweiterten Befugnisse dazu, Poplasen abzusetzen - wegen Obstruktion des Dayton-Vertrags. In einem Brief warf er Poplasen verfassungswidriges Verhalten vor: Er stifte Unruhe und Verwirrung, behindere die Regierungsbildung und die Umsetzung des Abkommens von Dayton.

Doch obwohl die Entscheidung darauf abzielte, die Nationalisten zu schwächen, hat sie in Verknüpfung mit der Brcko-Frage dazu geführt, daß sich das nationale Lager wieder sammelt - inklusive Dodik. Der Westen stellt sich selbst ein Bein. Oder, wie die Neue Zürcher Zeitung schreibt: "Denn es ist kein Zeichen von Stärke, wenn der Westen einen demokratisch legitimierten Präsidenten absetzen muss, um seinen Wunschkandidaten für das Regierungsamt zu retten."

So schlägt das Dilemma, das der Westen Bosnien mit der Staatskonstruktion von Dayton auferlegt hat, zurück auf die internationalen Protektoren selbst. Während Dodik geht, obwohl Westendorp wollte, daß er bleibt, bleibt nun vorerst Poplasen, obwohl der ja eigentlich gehen sollte. Zwar stünde es Westendorp offen, den Nachfolger Poplasens selbst zu ernennen, doch wird er sich kaum gegen die gesamte politische Klasse der Teilrepublik stellen.

Peter Djokic, Präsident des bosnisch-serbischen Parlaments, fragte sich beispielsweise schon, "ob die Republika Srpska überhaupt existiert. Im Gegensatz zu der Vereinbarung (von Dayton; R.F.), in der es heißt, daß es zwei Entitäten geben soll, versucht die internationale Gemeinschaft, das alte Bosnien-Herzegowina wiederherzustellen, obwohl es nicht überleben konnte und im Bürgerkrieg niedergebrannt wurde."

Möglich, daß die jüngsten Entscheidungen doch noch das Gegenteil bewirken. Denn mit der Schaffung einer gemeinsamen Verwaltung in Brcko entfällt die einzige Verbindung zwischen dem West- und dem Ostteil der Teilrepublik. Rechtlich verbindlich und definitiv wird die Teilrepublik nun noch einmal geteilt - in die Gegend um Banja Luka und die Region um Pale, wo die nationalistischen Hardliner weiterhin das Sagen haben. Gut für sie: Die Gegend grenzt direkt an Jugoslawien. Als Manövriermasse könnte sie, wie vom jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor Monaten als Alternative schon ins Spiel gebracht, eines Tages gegen das Kosovo ausgetauscht werden.