Repression gegen kurdische Parlamentarier

Leben wie ein Hund

Gebannt hören die Besucher in der Kölner Antoniterkirche Mehdi Zana zu, als er das Elend der Bevölkerung in den kurdischen Gebieten der Türkei beschreibt. Anläßlich des einjährigen Bestehens des nordrhein-westfälischen Kirchenasyls schildert der aus seinem schwedischen Asyl angereiste Zana die Politik der verbrannten Erde, mit der das türkische Militär den "Terrorismus" der PKK bekämpft. Seine Rede findet großem Applaus - für viele der anwesenden kurdischen Flüchtlingen ist Zana eine Symbolfigur des kurdischen Widerstandes. In den siebziger Jahren war er Bürgermeister von Diyarbakir, der heimlichen Hauptstadt Türkisch-Kurdistans - bis die Militärs ihn nach dem Putsch von 1980 ins Gefängnis steckten. Insgesamt über 15 Jahre kerkerten sie ihn ein. Nachdem ihm Mitte der neunziger Jahre erneut die Verhaftung drohte, ging er ins Exil.

Seine Frau sitzt immer noch im Gefängnis. Anfang der neunziger Jahre war Leyla Zana für die kurdische Halk Emek Partisi (Hep), die Partei der Arbeit des Volkes, in die "Große Türkische Nationalversammlung" gewählt worden. Schon bei der konstituierenden Sitzung sorgte die damals 30jährige für einen Eklat. Nicht nur, daß sie eine Kordel in den Farben der kurdischen Fahne in den Haaren trug, sie setzte dem türkischen Verfassungseid auch noch einen kurdischen Satz hinzu: "Ich habe diesen Eid für die Brüderlichkeit des türkischen und kurdischen Volkes geleistet."

Eine Ungeheuerlichkeit, die Sitzung mußte nach tumultartigen Szenen unterbrochen werden. Ein solches Verhalten sei "nicht im Interesse ihrer Wähler, sondern im Interesse einer Terrororganisation", urteilte der damalige Staatspräsident Turgut Özal, der Parlamentspräsident Hüsamettin Cindoruk sah in ihr gar "die Sprecherin einer Mörderbande im Parlament".

Im Juli 1993 wurde die Hep wegen "separatistischer Umtriebe" verboten, Zana schloß sich der Nachfolgerin Demokrasi Partisi (Dep) an, deren Verbot ein Jahr später folgte. Im Dezember 1994 schließlich wurden Leyla Zana, Hatip Dicle, Ahmet Türk, Orhan Dogan und Selim Sadak vom Staatssicherheitsgericht in Ankara zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt.

Befragt, ob er für die inhaftierten kurdischen Abgeordneten ebensoviel Mitgefühl aufbringen könne wie für seinen verstorbenen Hund, dem er mehrere Gedichte gewidmet hatte, antwortete der zuständige Staatsanwalt Nusret Demiral: "Die Abgeordneten sind doch keine Hunde. Warum sollte ich Vaterlandsverrätern gegenüber Verständnis aufbringen?" Seit dem Verbot der Dep und der Inhaftierung ihrer Abgeordneten gibt es keine eigenständige Vertretung der kurdischen Bevölkerung im türkischen Parlament mehr, die Nachfolgerin Hadep hat mit ständigen Verbotsdrohungen zu kämpfen.

Die Bilanz, die der Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsvereins, Akin Birdal, zum Jahreswechsel vorlegte, war verheerend. Alleine 1998 seien in der Türkei 167 Morde von "unbekannten Tätern" verübt worden, hinzu kämen 103 extralegale Tötungen, zumeist infolge von Folterungen. 27 Menschen gelten als "verschwunden", 39 604 Personen wurden zumindest vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, 449 Personen in der Haft gefoltert. Aus 30 Dörfern in Türkisch-Kurdistan sollen die Bewohner vertrieben worden sein, 1 951 Personen kamen bei Gefechten in den kurdischen Gebieten ums Leben. 2 500 Anklagen gegen türkische staatliche Stellen sind allein im vergangenen Jahr vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht worden.

Mehdi Zana kennt die Zahlen. Immer noch setzt er sich für eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konflikts ein, doch seine Hoffnungen schwinden. Nein, ein PKKler ist der fast Sechzigjährige mit der Zeit nicht geworden, auch wenn er nicht glaubt, daß der türkische Staat zu einem Umdenken in der Lage ist.

Daß die PKK heute über einen Massenanhang in den kurdischen Gebieten der Türkei verfügt, verdankt sie vor allem dessen repressiver Politik. Die PKK erschien vielen als die einzige Kraft, die in der Lage war, massive Gegenwehr zu leisten - und zurückzuschlagen.

Der Popularität der PKK schadete dabei weder ihre quasi-religiöse Ideologie, noch die Ermordung von Zivilisten und die Liquidierungen von "Abweichlern". Aus dem Gründungskreis der PKK in den siebziger Jahren haben bis heute nur eine Handvoll überlebt. Die anderen fielen entweder dem türkischen Staat zum Opfer, begingen Selbstmord oder wurden zu einem nicht unerheblichen Teil von der PKK selber als "Verschwörer" oder "Agenten" hingerichtet.

Ein kritisches Wort über die Kurdische Arbeiterpartei und ihren größenwahnsinnigen Führer Abdullah Öcalan würde Mehdi Zana trotzdem nie über die Lippen kommen. Denn das "hilft nur den Feinden der Kurden".