Frankfurter Stadtgespräch

Die Jungen Nationaldemokraten präsentieren sich an der Oder als Peace Keeper. Doch die Stadtoberen wollen sie noch nicht mitwirken lassen

Es sollte eine "Friedensmission" werden. Und doch scheiterten die Gespräche in Frankfurt an der Oder zwischen Staatsschutz und Staatsanwaltschaft einerseits und Vertretern der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) andererseits kläglich. Eine Einladung an Jörg Hähnel, JN-Bundesvorstandsmitglied und NPD-Kreisvorsitzender, am vergangenen Donnerstag an einer Ausschußsitzung für "Kommunale Kriminalitätsvorbeugung" (KKV) teilzunehmen, wurde nach SPD-interner und öffentlicher Kritik wieder zurückgezogen.

Dabei hatte alles so gut angefangen: Die NPD hatte bei den Kommunalwahlen im vergangenen September einen Sitz im Stadtparlament gewinnen können. Frankfurts Stadtobere meinten in der Folge, an Gesprächen mit der NPD nicht mehr vorbeizukommen: Bereits für den 21. Januar luden der Leiter der Staatsschutzabteilung beim Polizeipräsidium, Maik Zimmermann, und Staatsanwalt Joachim Sörries Hähnel zu einem "Präventionsgespräch" - gemeinsam mit Studenten, die als "Vertreter der linken Szene" eingeschätzt wurden.

Trotz eindeutiger Zahlen - im vergangenen Jahr waren in Frankfurt/Oder 42 Straftaten mit rechtsextremistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Hintergründen und neun Straftaten mit "linksextremistischer" Motivation gezählt worden - phantasieren Staatsschutz und Staatsanwaltschaft seit Monaten munter von einer "Gewaltspirale" in der brandenburgischen Grenzstadt. Die Gleichsetzung von "Links- und Rechtsextremisten" gehört dabei zum mediengerechten Verkauf neuer "Präventionsmaßnahmen".

Daß die Realität anders aussieht, scheint die Verantwortlichen kaum zu stören. So ging beispielsweise nur wenige Tage vor dem Gespräch die brandenburgische Polizeispezialeinheit Mega mit einem Großeinsatz gegen eine Gruppe von fünfzig Rechten, die "Linke klatschen" wollten, in der Innenstadt vor - oder wollte es zumindest. Da den Nazis andere Opfer fehlten, griffen sie einen marokkanischen Asylbewerber am Bahnhof an. Die Mega schob indes nur wenige hundert Meter weiter am Einkaufszentrum Oderturm Wache.

Das von Staatsschutzleiter Zimmermann und dem als "Extremistenjäger" bekannten Staatsanwalt Sörries für das Januar-Gespräch gewünschte Ergebnis - eine gegenseitige Gewaltverzichtserklärung - kam nicht zustande. Jörg Hähnel war erst gar nicht erschienen, der NPD-Parteitag in Mulda war wichtiger.

Statt dessen schickte er drei seiner engsten Mitstreiter: seine Lebensgefährtin Mary Ehrenberg, einen stadtbekannten Nazi-Schläger sowie den NPD-Stadtverordneten René Wegner. Der erklärte nach Aussagen von Gesprächsteilnehmern, er würde sich mit einer Gewaltverzichtserklärung in der rechten Szene ins Abseits stellen und als "Verräter" dastehen.

Die Studenten mochten sich auf den Vorschlag von Polizei und Staatsanwaltschaft auch nicht einlassen. Sie hatten an dem Gespräch nur teilgenommen, um Geheimabsprachen zwischen der NPD, Staatschutz und Staatsanwaltschaft zu verhindern. Gegenüber der Jungle World kritisieren sie, daß Staatsanwaltschaft und Staatsschutz Rechtsextremismus allein auf die Gewaltfrage reduzieren und die politische Dimension - die Ideologie von Rassismus und Antisemitismus - längst in Kauf genommen würde, wenn sich die NPD und rechtsextreme Jugendcliquen nur halbwegs gewaltfrei verhalten würden.

Mit kommunalen Gesprächsangeboten an die NPD werde die Partei weiter salonfähig gemacht. Besonders besorgniserregend sei die Tatsache, daß auf die Forderung von Mary Ehrenberg nach einem "nationalen Jugendclub", in dem die NPD 14 bis 16jährige "betreuen" wolle, von seiten der offiziellen Gesprächsteilnehmer keine klare Ablehnung formuliert worden sei.

Jörg Hähnel hatte kurz zuvor eine ähnliche Forderung an die Stadt gestellt. In einem Brief an Oberbürgermeister Wolfgang Pohl (SPD) versuchte der 23jährige Ende Januar, sich und seine Partei gegenüber der Stadtverwaltung als gleichberechtigte Gesprächspartner in Sachen Jugendpolitik anzubieten. Man wolle "Entwicklungen vorbeugen", die von den "Vertretern der Jugendpolitik nicht mehr kontrolliert werden können", schrieb Hähnel. Solche Offerten zielen darauf ab, daß sich nur die NPD in der Lage sieht, die gewalttätiger werdende rechte Szene in Frankfurt/Oder in Schach zu halten. Und: Wenn die Stadt nicht mit der Neonazipartei rede, werde die Lage weiter eskalieren.

Als einer von wenigen Neonazikadern versucht Hähnel seit mehr als zwei Jahren, ein altes Konzeptpapier der NPD-Kaderschmiede Junge Nationaldemokraten zur Schaffung "national befreiter Zonen" umzusetzen. Dort heißt es: "Wir müssen Freiräume schaffen, in denen wir faktisch die Macht ausüben. (...) Wir sind drinnen, der Staat bleibt draußen."

Mit Baumpflanzaktionen im Neubauviertel, einem Auftritt mit Landser- und Heimatliedern in einem Seniorenheim, Störaktionen bei Lichterketten und öffentlichen Diskussionsveranstaltungen versuchte der NPD-Ortsverband unter Hähnels Führung im vergangenen Jahr denn auch, Bürgernähe zu demonstrieren und die NPD zum Stadtgespräch zu machen. Zumindest das war erfolgreich.