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Im Prozeß gegen drei Nazis in Königs Wusterhausen will kein Zeuge etwas gesehen haben

Nur wenige sind gekommen. Gerade einmal drei PressevertreterInnen und ein paar Antifas, die auf den Prozeß aufmerksam machen wollen, der an diesem Tag, dem 8. Februar, vor dem Amtsgericht in Königs Wusterhausen geführt werden soll.

Gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Verantworten müssen sich drei rechtsradikale Männer. Doch das Interesse scheint gering. Dabei hatte der Grund des Prozesses, der Überfall auf den aus Kamerun stammenden William Z. im September letzten Jahres für einigen Wirbel gesorgt.

Nicht unbedingt, weil der Angriff rassistisch motiviert war - das gehört ja zum ostdeutschen Alltag. Sondern weil die Tat von Umstehenden, darunter auch Arbeitskollegen des Opfers, geduldet und von einigen sogar unterstützt wurde. So hatte ein am Bahnhofsvorplatz von Königs Wusterhausen stehender Taxifahrer, in dessen Fahrzeug William Z. flüchten wollte, auf dessen Bitte um Hilfe mit dem Ausruf "Verschwinde" reagiert. Diese Chance nutzten die Angreifer, um Z. auf dem Weg zum S-Bahnhof erneut zu attackieren. Ein Bahnangestellter, den er dann um Unterstützung bat, verwies William Z. lapidar an eine Bahnsteig-Notrufsäule.

Die Deutsche Bahn AG hat sich zwar entschuldigt, den Angestellten jedoch, wie sie erklärte, nicht ausfindig machen können. Kein Wunder, drohte ihm doch ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung. Die Aussicht, möglicherweise selbst auf der Anklagebank zu sitzen, mißfiel wahrscheinlich auch den fünf geladenen Zeugen, die allesamt ein solches Verfahren am Hals haben. So wurde, bei den Aussagen der Taxifahrer, aus dem Opfer der Täter: William Z. habe durch aggressives Auftreten provoziert. Das Bekenntnis des Taxifahrers in einem Interview mit Spiegel TV, ihm gingen "die Ausländer hier sowieso auf die Nerven", spielte in diesem Prozeß offenbar keine große Rolle.

Eine genaue Einschätzung fällt schwer, wurde doch die Öffentlichkeit auf Antrag eines Verteidigers zu Beginn des Prozesses ausgeschlossen. Begründung: Sein Mandant, der 18jährige Rene W., befürchte aufgrund seiner Aussagen Repressalien von linker wie von rechter Seite. Seine beiden Kameraden, der 31jährige Rene F. und der 26jährige Heiko M. konnten sich vor Gericht an nichts mehr erinnern. Zuviel Alkohol. Viel mehr hatten auch die anderen Zeugen nicht beizusteuern.

In seinem Urteilsspruch mußte sich der Richter somit auf die einzigen umfassenden Aussagen stützen: die von William Z. und die von Rene W. Der wegen Körperverletzung bereits vorbestrafte Rene F. erhielt ein Jahr Haft auf drei Jahre Bewährung, Heiko M. zehn Monate ebenfalls auf drei Jahre Bewährung. Beide müssen von ihren Geldstrafen, 2 000 und 1 000 Mark, jeweils 500 Mark an das Opfer zahlen.Wie Christina Klemm, Anwältin des Nebenklägers William Z., nach dem Prozeß erklärte, habe der Richter in seiner Urteilsverkündung angemerkt, daß die Aussagen der Zeugen von "Wegschauen" und "Nicht-Sehen-Wollen" geprägt gewesen seien. Eine fremdenfeindliche Tatmotivation sei zwar sehr wahrscheinlich, könne aber nicht nachgewiesen werden.

Von den anfangs etwa 30 ProzeßbeobachterInnen haben es nur wenige bis zum Ende ausgehalten. Auch Matthias Pletsch, Streetworker im örtlichen Jugendklub "Oase" ist früher gegangen. Vielleicht deswegen, weil der Gang ins Gericht zum Repertoire der "akzeptierenden Jugendsozialarbeit" gehört. Seit drei Jahren versucht Pletsch, jugendliche Nazis "da abzuholen, wo sie sind und sie da hinzukriegen, wo man es will". Pletschs Erklärung ist reines Wunschdenken, denn die "Oase" ist schon seit längerem im Rahmen des sozialpädagogischen Ansatzes zum festen Bestandteil der rechten Infrastruktur geworden.

Wegen eines immer größeren Zulaufs rechter Kids und Jugendlicher wurden seit 1996 andere Jugendliche verdrängt. Daß die "Oase" heute ein Sammelpunkt für rechte gewaltbereite Jungendliche ist, leugnen selbst die dort angestellten SozialarbeiterInnen nicht mehr. Die Klubleiterin gestand jüngst ein, "keine anderen mehr in die 'Oase' reingekriegt" zu haben.

Doch selbst die Tatsache, daß der Klub mehrfach zum Ausgangspunkt gewalttätiger Übergriffe wurde, hält die SozialarbeiterInnen, die Stadt oder die PDS nicht davon ab, den Ansatz und den Klub weiterhin zu unterstützen. Reaktion auf eine antifaschistische Demonstration im Okober letzten Jahres, die sich gegen "akzeptierende Sozialarbeit" und für die Schließung der "Oase" einsetzte, war die Einrichtung von drei neuen Stellen für SozialarbeiterInnen.