Frühjahrsoffensive im Osten

Am 27. Februar wollen in drei ostdeutschen Städten Nazis aufmarschieren. Die Antifa-Gegenmobilisierung läuft auf Hochtouren

Was haben Angermünde, Magdeburg und Wurzen gemeinsam? Alle drei Städte liegen im Osten und werden Ende Februar ein noch größeres Nazi-Problem als ohnehin schon haben: Zwei Neonazi-Aufmärsche sind für den 27. Februar geplant. Unabhängige AntifaschistInnen und Bündnisse aus den jeweiligen Städten rufen deswegen zu Gegenaktionen, -kundgebungen und -demonstrationen auf.

Der Reihe nach: In Magdeburg hat das NPD-Bundesvorstandsmitglied Steffen Hupka, ehemaliger Kader der verbotenen Nationalistischen Front (NF) und NPD-Vorsitzender in Sachsen-Anhalt für den 27. Februar einen Nazi-Aufmarsch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft angemeldet. Rund 300 Teilnehmer werden auf dem Domplatz in Magdeburgs Innenstadt erwartet. Neben dem NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt ruft mittlerweile auch das von den Hamburger Nazi-Kadern Christian Worch und Thomas Wulff angeführte Norddeutsche Aktionsbündnis via Internet zur Teilnahme auf.

Damit wird noch offensichtlicher, was sich in den letzten Wochen schon auf einigen Straßen ost- und westdeutscher Städte gezeigt hat: Die willigen Helfer der CDU/CSU freuen sich nicht nur über die Kampagne der "Volksparteien", sondern gehen selbst in die Offensive. In brandenburgischen Kleinstädten sammelt die NPD schon seit Wochen Unterschriften, in Hessen stellen die Republikaner ihre Stände dicht neben den CDU-Tischen auf. Oder versuchen es zumindest immer wieder.

Ungestört soll der Naziaufmarsch jedoch nicht stattfinden: Unabhängige AntifaschistInnen in Magdeburg mobilisieren gemeinsam mit dem dortigen Bündnis gegen Rechts unter dem Motto "Nein zu Naziaufmarsch, 'Blutsrecht' und Rassismus - Gleiche Rechte für alle" zu Gegenaktionen. "Uns geht es dabei nicht nur darum, gegen den Naziaufmarsch aktiv zu werden, sondern der rassistischen Hetz-Kampagne entgegenzutreten", erklärte ein Vertreter von unabhängigen Antifagruppen.

Auch die PDS und Bündnisgrüne wollen die Nazi-Demo verhindern: "Wir fordern einerseits ein Verbot des Aufmarsches durch die Polizeibehörde", so Matthias Gärtner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der PDS im Landtag von Sachsen-Anhalt. "Und auf der anderen Seite wollen wir ein breites Bündnis, in dem die unterschiedlichen Gruppen auf verschiedene Arten und Weisen agieren können."

In Wurzen dagegen reagieren AntifaschistInnen am 27. Februar zum einen auf die wieder zunehmende Nazi-Präsenz in der sächsischen Kleinstadt; zum anderen geht es bei der Antifa-Demo, die vom Leipziger "Bündnis gegen Rechts" und der PDS-Abgeordneten Angela Marquardt unter dem Motto "Weg mit dem Nazispuk in Wurzen" angemeldet wurde, auch um das jüngste Beispiel staatlicher Repression gegen AntifaschistInnen in der Region: Am 21. Januar bedrohten Neonazis aus Wurzen in einer von linken Jugendlichen besuchten Kneipe mehrere Gäste. Nachdem auf die Provokationen nicht reagiert wurde, verließ die Nazigruppe unbehelligt die Gaststätte und lauerte den Kneipenbesuchern auf deren Heimweg auf. Dabei wurde einem Jugendlichen eine Pistole an den Kopf gehalten. In dem folgenden Handgemenge wurde ein Neonazi durch einen Messerstich verletzt.

Polizei und Medien hatten die Schuldigen schnell ausgemacht: Die Bild titelte: "Messer-Attentat auf Autofahrer" und beschrieb die Neonazis als nette Nachbarsöhne; der zuständige Staatsanwalt Klaus Schüddekopf sieht ein mögliches Motiv im "Haß zwischen Linken und Rechten". Ermittelt wurde nur gegen die wenigen Wurzener Antifas: Vier von ihnen sitzen seit Ende Januar wegen versuchten Totschlags in Untersuchungshaft in der Leipziger JVA.

Aber auch der Ausbau des NPD-Schulungszentrums in Wurzen sowie die städtische Duldung und Förderung von Neonaziaktivitäten sollen Thema der Antifa-Demonstration sein. Heftigen Streit hat die Demonstration in der PDS ausgelöst: Die als Vertreterin des nationalkonservativen Flügels der PDS bekannte Wurzener Kreisvorsitzende Kerstin Köditz kritisierte die Initiative als "Demo-Tourismus", während überregionale PDS-Abgeordnete ihre Unterstützung zusagten.

In Angermünde, einer brandenburgischen Kleinstadt nahe der Nazi-Hochburg Schwedt, müssen AntifaschistInnen ganz auf die Unterstützung der PDS verzichten. Hier existiert seit Jahren das alternative Literaturcafé, von wo aus versucht wird, der rechten Übermacht eigene Aktivitäten entgegenzusetzen. Kein Wunder, daß das Café immer wieder unter Druck gerät. Mal drohen die Stadtväter mit Schließung, mal versuchen es Neonazis auf ihre Weise: 36 Angriffe hat das Café mittlerweile überstanden, darunter eine Serie von drei Brandanschlägen im Januar vergangenen Jahres.

Vier der Haupttäter dieser Serie - unter ihnen der Nazischläger Lars Wiegel und der NPD-Organisationsleiter im Kreis Barnim, Danny Dahlig - waren zu Beginn diesen Jahres vom Landgericht Frankfurt/Oder zu Freiheits- und Bewährungsstrafen zwischen mehreren Monaten und drei Jahren verurteilt worden. Die regionalen NPD-Strukturen reagierten prompt: Unter der Parole "Gegen Drogen und linke Gewalt" meldete ein führender NPD-Kader aus dem nahegelegenen Eberswalde für den 27. Februar einen Aufmarsch mit rund 300 Teilnehmern in Angermünde an.

AntifaschistInnen aus der Region rechnen damit, daß diese Zahl sich vor allem durch das Mobilisierungspotential der NPD und der "freien Kameradschaften" unter den Jungnazis aus Schwedt, Eberswalde und der umliegenden Region erreicht werden könnte. Deshalb soll unter dem Motto "Kein Fußbreit den Faschisten - weder in Angermünde noch anderswo" eine Gegendemonstration stattfinden. "Wir sind zuversichtlich, daß es uns gelingen wird, durch eine regionale Antifa-Mobilisierung dem Naziterror etwas entgegenzusetzen", erklärte ein Sprecher des Bündnisses.

Für AntifaschistInnen außerhalb der betroffenen Städte, die angesichts der Ereignisballung Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung haben, wo sie sich am 27. Februar auf die Straße begeben wollen, kommt aus Angermünde, Leipzig und Magdeburg eine Orientierungshilfe: Um Konkurrenzsituationen zu vermeiden, hoffen die AntifaschistInnen in Magdeburg aus Unterstützung aus Nord- und Westdeutschland, während für Wurzen aus Süd- und Ostdeutschland mobilisiert werden soll. In Angermünde setzen die Antifas dagegen eher auf die regionale Mobilisierung.

Nazitreffpunkt in Angermünde: 13:30 Uhr, Parkplatz Pennymarkt; Antifa-Treffpunkt in Angermünde: Bahnhofsvorplatz; Antifa-Infotelefon Angermünde: 030-27 56 07 56; Antifa-Infotelefon Magdeburg: 0172-301 74 29; Antifa-Infotelefon Leipzig: 0177-593 16 28; Antifa-Treffpunkt Wurzen: 14 Uhr am Bahnhof.