Bundeswehr - Leben am Limit

Verteidigungsminister Scharping beordert erstmals in der Geschichte der Hardthöhe 30 Kampfpanzer in einen Auslandseinsatz

Manchmal ist es schon beängstigend, wie Medien und Politik sich ergänzen. Da will sich die Bundesluftwaffe gerade mit 14 Tornado-Jets an Luftangriffen der Nato gegen die Serben im Kosovo beteiligen - und schon präsentiert ProSieben ab 21. Februar den Pilotfilm zur ersten Bundeswehr-Serie im deutschen Fernsehen. Die Zeit für "Jets - Leben am Limit" war reif. Hier darf Andreas "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" Elsholz neun Folgen lang als Sympathieträger die Charakterrolle des blutjungen Tornado-Piloten Robin Amberg geben. Bis einen Tag vor Serienstart haben Milosevics Unterhändler und Kosovo-Albaner nach dem Ultimatum der Nato Zeit, sich im französischen Schlößchen Rambouillet auf eine Friedenslösung mit weitgehender Autonomie des Kosovo zu einigen. Bei einem Scheitern drohen erneut Luftangriffe - 125 Minuten Bundeswehr-"Top Gun" sind bereits jetzt garantiert.

Derweil laufen auf Weisung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping Vorbereitungen zur Verstärkung der Bundeswehrstreitmacht in Mazedonien. Er hatte betont, daß ein Militäreinsatz im Kosovo auch ohne völkerrechtliche Grundlage durch ein Uno-Mandat möglich sei. Der Minister und Kanzler Gerhard Schröder erklärten mehrfach sozusagen blanko, daß Schritte der Nato-Partner "ohne jede Einschränkung" auch von der Bundesregierung unterstützt werden würden. Erstmals wird dabei durch die Bundeswehr der Einsatz von 30 Kampfpanzern Leopard II und 20 Schützenpanzern Marder, die jeweils eine Gruppe Panzergrenadiere transportieren können, im Rahmen einer bis zu 35 000 Mann starken "Nato-Friedenstruppe" geplant.

Offiziell wurden von der Hardthöhe für das zu entsendende "verstärkte Bataillon" keine speziellen Einheiten benannt. Das sei vor Ende der Verhandlungen in Rambouillet gar nicht möglich. Das Einsatzspektrum - von einem Nato-Kontingent zur langjährigen Absicherung eines Friedensvertrages über die schnelle Rettung der bis zu 2 000 OSZE-Beobachter vor Luftangriffen bis hin zur militärischen Durchsetzung eines Waffenstillstands im Kosovo - sei zu vielgestaltig.

Doch die Verstärkung läuft genau genommen bereits seit Mitte Januar. Zu diesem Zeitpunkt wurden acht spezielle ECR-Tornados zur Bekämpfung von Radarstellungen der Luftabwehr vom Jagdbombengeschwader 32 in Kloster Lechfeld ins norditalienische Piacenza verlegt. Damit sind dort derzeit 14 deutsche Tornados mit 350 Mann Bodenpersonal stationiert. Die anderen sechs RECCE-Aufklärungs-Tornados stammen aus dem Geschwader 51 in Jagel, das bei simulierten Luftkämpfen vor der ostfriesischen Küste erst Ende Januar zwei Maschinen verloren hatte.

Aber auch die zwei nun zur Verstärkung der "Extraction Force" vorgesehenen Kompanien mit Leopard-Panzern, die zwei Kompanien mit den Schützenpanzern Marder, die Mörserkompanie sowie eine leichte Kompanie mit dem Spähpanzer Luchs und dem Transportpanzer Fuchs müssen intern längst ausgewählt worden sein. Immerhin trafen sich letztes Wochenende Offiziere der für den Einsatz auserkorenen Verbände des II. Korps aus Ulm mit den für die vier- bis fünfwöchige Ausbildung auf den Übungsplätzen in Munster und Bergen-Hohne Verantwortlichen der 14. Division aus Neubrandenburg. Eine erste Einsatzbesprechung für die Vorbereitung des verstärkten Bataillons war angesagt.

Die drei Szenarien, mit denen die Bundeswehr entsprechend der Nato-Strategien konfrontiert werden könnte, sind dabei denkbar unterschiedlich. Nach einem Friedensabkommen etwa würden 35 000 Soldaten Umsetzung und Einhaltung des Waffenstillstands durchsetzen müssen. Diese Aufgabe würde sich mit der der Sfor-Truppe in Bosnien decken. Verteidigungsminister Scharping hatte angekündigt, zehn Prozent eines solchen Kontingents zu stellen, sprich 3 000 Mann.

60 000 Mann könnten nötig werden, wenn Serben und Kosovo-Albaner sich nur zu einer Feuerpause bereiterklären würden, der Status der Provinz aber umstritten bliebe. Auch hier würden die Truppen nach Zustimmung der jugoslawischen Regierung stationiert werden.

Bei einer Fortsetzung der Kämpfe will die Nato nach bisherigen Planungen allerdings durch Luft- und Bodenangriffe mit 200 000 Soldaten den Widerstand der jugoslawischen Armee und der UCK gewaltsam brechen.

Vorerst wird die Bundeswehr ihr Kontingent in Mazedonien auf insgesamt 3 000 Mann verstärken. In Tetovo, zehn Kilometer von der Grenze zum Kosovo, sind bislang 270 Soldaten stationiert, die mit unbemannten Aufklärungsdrohnen CL-289 Truppenbewegungen im Kosovo aufklären. Daneben warten 190 Gebirgsjäger und Panzeraufklärer mit den Fuchs- und Luchs-Panzerwagen bislang darauf, im Notfall mit insgesamt 1 800 Nato-Soldaten der "Extraction Force" unbewaffnete OSZE-Beobachter aus dem Krisengebiet zu evakuieren. Die bald 3 000 Mann in Tetovo könnten nach Ansicht Scharpings im Falle eines Friedensvertrages fließend in eine Truppe zur Umsetzung des Abkommens umgewandelt werden.

Die Ausrüstung mit besagten 30 schweren Kampfpanzern taugt allerdings nur für massive Kampfeinsätze gegen die jugoslawische Bundesarmee. Billig wird der Einsatz nicht. Allein die angemietete Kaserne in Tetovo kostet 200 000 Mark im Monat, ein Drohnen-Start 80 000 Mark. Zwei Flüge je Woche sind nötig. So summierte sich der Sfor-Einsatz in Bosnien im vergangenen Jahr auf 350 Millionen Mark. Für das Jahr 1999 waren 499 Millionen Mark eingeplant, doch zwei parallel laufende Einsätze in Bosnien und im Kosovo mit zusammen 6 000 Mann dürften die Kosten für den Verteidigungshaushalt nach ersten Schätzungen auf eine Milliarde Mark anwachsen lassen.

Allein aus dem bereits um 250 Millionen Mark gekürzten Verteidigungshaushalt wird das nicht mehr zu bezahlen sein. Zumal die US-Amerikaner nur 2 000 bis 4 000 Soldaten über den Teich schicken werden. US-Präsident William Clinton besteht darauf, daß die Europäer, also auch die Deutschen, den Großteil der Truppen eines Einsatzes stellen müßten. Die Aussicht, neben den 2 500 Mann in Bosnien, den 350 Mann in Piacenza und den bald 3 000 Soldaten im Kosovo das 35 000-Mann-Kontingent mit weiteren Einheiten auffüllen zu müssen, wird die Einsatzfreude in Bonn heben.

Das deutsche 3 000-Mann-Kontingent in Tetovo wird übrigens vom Stab der 12. Brigade unter Oberst von Korff geführt. Der sitzt in Amberg. Und da wären wir wieder bei Andreas Elsholz - bald in der Rolle des Tornado-Piloten Robin Amberg.