Italiens Flüchtlingspolitik

Ein Modell für Europa

Was tun, wenn Flüchtlinge nach Italien wieder einmal aus oder über Albanien kommen? Die Boat-People durch die Marine abdrängen lassen? Mehr als 80 Tote im vergangenen Jahr samt einer ganz miesen internationalen Presse sowie ein linker Partner in der Regierungskoalition lassen das nicht mehr zu.

Aber was sonst? Die Schiffe landen lassen, die Leute kassieren, kasernieren, nach Nützlichkeit sortieren, den Rest wieder abschieben? Neue Flüchtlinge könnten einfach nicht mehr untergebracht werden, hieß es dazu letzte Woche aus Rom. Denn: "Ganze Familien" müßten mittlerweile "in kalten, stinkenden Metallbehausungen wohnen".

Neu ist das nicht - fast alle Flüchtlinge, die Italien erreichen konnten, wurden in den letzten 18 Monaten so untergebracht. Zumindest in den ersten dreißig Tagen. Neu hingegen ist, daß Italien zur Zeit anscheinend seinen Bedarf an billigen Arbeitskräften gedeckt hat. Zwangsläufig wird so die Anzahl der Abschiebungen ansteigen.

Nun betonen aber gleichzeitig die an der Regierung beteiligten Grünen und Neokommunisten, Abschiebungen künftig verhindern zu wollen. Und auch Regierungschef Massimo D'Alema hat sich erst jüngst dieser Forderung angeschlossen.

Das klingt gut, ist aber anders gemeint. Wenn niemand mehr ankommen kann, muß auch niemand mehr abgeschoben werden. Ganz einfach. Und doch wieder nicht: Mehrere tausend Kilometer Adria-Küste lassen sich nicht so einfach umzäunen wie die deutsche Ostgrenze. Auch gibt es zwischen Italien und Albanien leider keine netten Nachbarstaaten, die einem im Zuge verschiedener EU-Ost-Erweiterungen einfach die Drecksarbeit abnehmen müssen.

Für die Lösung all dieser Schwierigkeiten bot die italienische Regierung in der vergangenen Woche ein einfaches Konzept an: Warum nicht einfach die Flüchtlingslager dort aufstellen, wo auch die (potentiellen) Flüchtlinge sind. Künftig sollen, wenn es zu einer Eskalation des Krieges im Kosovo kommt, im Norden Albaniens "Empfangszentren für Flüchtlinge" eingerichtet werden, für die das italienische Verteidigungsministerium zuständig wäre.

Anders gesagt: Lager für Flüchtlinge aus dem Kosovo in Albanien, die vom italienischen Heer bewacht würden. Die entsprechenden Pläne mit detaillierten Angaben zu möglichen Standorten, Lagergrößen, Wasser- und Energieversorgung wurden Anfang letzter Wocher kurzerhand der verdutzten albanischen Regierung präsentiert.

Besonders trickreich dabei: Die ausgewählten Gebiete stehen alle unter dem Einfluß des früheren albanischen Präsidenten Sali Berisha - die sozialdemokratische Regierung Albaniens hat seit Monaten Mühe, diese Region zu kontrollieren. Entsprechend will die italienische Mitte-Links-Regierung den Vorschlag auch verstanden wissen: Quasi als Amtshilfe einer sozialdemokratischen Regierung für die andere. Und eben nicht als "Einrichtung eines zeitlich begrenzten italienischen Protektorats über Albanien", wie ein kroatischer Publizist zuvor die Offerte aus Rom - zustimmend - bezeichnet hatte.

Auch scheint die italienische Regierung noch nicht an die Übertragung des Modells auf Europa gedacht zu haben. Pläne, wie Spanien seine Enklaven Ceuta und Melilla im Norden Marokkos zu größeren "Empfangszentren" ausbauen könnte, legte Rom bislang ebensowenig vor wie ein Konzept für ein großes deutsches Flüchtlingszentrum im Südosten der Türkei.