Irak pöbelt schon wieder gegen die UN, und Rußland zieht mit

Kebab für Saddam

Sie kamen, inspizierten ein bißchen und gingen schnell wieder. Am Montag haben die Waffenkontrolleure der UN Special Commission (Unscom) nach einer Woche intensiver Sucherei den Irak erneut verlassen.

Zufrieden waren sie nicht. Nicht, weil sie nichts gefunden hatten. Sondern, weil sie nicht alles inspizieren durften, was sie auf der Suche nach bakteriologischem und chemischem Material angucken wollten. Das Hauptquartier von Saddam Husseins Baathpartei in Bagdad beispielsweise.

Die internationalen Inspekteure hatten wohl - obwohl sie es besser hätten wissen müssen - zu sehr auf das Wort der irakischen Regierung vertraut, die Untersuchungen künftig nicht mehr zu behindern. "Da gibt es nichts Verbotenes", war die simple Begründung für die Weigerung der Baathpartei.

Das bekannte Kräftemessen wiederholt sich damit zum x-ten Male: Die Regierung in Bagdad beschwert sich über das "provokative Verhalten" einiger besonders eifriger Inspektoren, und die USA bringen die Option neuer Luftangriffe wieder ins Spiel. Nach Aussage von Verteidigungsminister William Cohen ist die US Air Force jederzeit einsatzbereit, wenn sich Saddam Hussein nicht kooperativer zeigt.

Eine klare Drohung, ausgesprochen in der Hoffnung, daß der Gegner sich davon einschüchtern läßt. Denn militärisch am Persischen Golf die Rolle des Weltpolizisten zu spielen, ist eigentlich gar nicht mehr im Interesse Washingtons. Schließlich bemüht sich die Clinton-Regierung derzeit im Nahostkonflikt um ein neues außenpolitisches Profil. Die entspannten Beziehungen zu den meisten arabischen Staaten wären mit einem Militärschlag gegen den Irak schnell wieder zunichte gemacht - und die diplomatischen Bemühungen der letzten Monate vergebens. Für wirkliche Hardliner wie den US-Amerikaner Scott Ritter, der im August unter Protest gegen die Spielchen der irakischen Führung die Unscom verließ, ist in dieser taktischen Überlegung kein Platz.

Hussein hat das natürlich längst bemerkt. Und so strebt er einerseits eine panarabische Bewegung unter seiner Regie an, damit er nicht mehr auf ganz so verlorenem Posten steht. Andererseits will er die Chance nützen, sein Land endlich wieder regionalmachtfähig zu machen. Das Ende der Waffeninspektionen und der Wirtschaftssanktionen - inbesondere der Ölausfuhrbeschränkung - ist sein erklärtes Ziel.

Zur Begründung müssen die Meldungen der irakischen Nachrichtenagentur Ina über 6 000 Kinder herhalten, die pro Sanktionsmonat an Unternährung sterben - wofür Bagdad die Gegenseite ebenso verantwortlich macht wie für die fehlenden Medikamente. Außerhalb der arabischen Staaten wird den Horrormeldungen aus Bagdad jedoch kaum Beachtung geschenkt, die Washington Post hält eine falsche Ernährung für die Hauptursache und die "Operation Kebab" der Unicef zur Änderung der irakischen Eßgewohnheiten für den Ausweg: weniger Fleisch und dafür mehr Grün auf den Teller.

Einzig bei seinem mittlerweile zuverlässigsten Bündnispartner kommt Husseins Mitleidsnummer mit der Gleichsetzung von Bevölkerung und Elite an: Rußland. Dort wissen Nationalisten wie Kommunisten ebenfalls, daß die Ursachen für den Hunger oder den - im russischen Winter häufig vorkommenden - Tod durch Erfrieren fremdverschuldet sind: Was für die nationalen Eiferer in Rußland die Maßnahmen des IWF oder wahlweise die Juden sind, ist für Husseins Regierung die angeblich US-gesteuerte Sanktionspolitik der UN.

Die sich anbahnende Allianz zwischen den beiden einst sehr mächtigen Staaten ist also nicht nur taktischer, sondern auch ideologischer Natur. Der Moskauer Außenminister Igor Ivanow sprach daher sicher nicht nur im Sinne der Regierung Primakow, als er zu Besuch bei seinem Amtskollegen Tarik Aziz "das achtjährige Leiden des irakischen Volkes" beklagte und sich für ein Ende der Sanktionen stark machte.

Wenn der Irak dann endlich soviel Öl verkaufen darf, wie es Hussein gefällt, könnte er nicht nur seine Schulden bei russischen Firmen begleichen, die das Militär Bagdads hochgerüstet hatten - unter anderem mit Scud-Raketen, sondern gleich auch an seinem neuen Raketenprogramm weiterarbeiten oder sich bei deutschen Chemiefirmen mit neuen Grundstoffen für Giftgas eindecken.