Kritik an Indonesiens Armee nimmt zu

Revolusi statt reformasi

Mit Schüssen auf Demonstranten will die Armee der Republik Indonesien (Abri) nichts zu tun haben. Bezahlte "Gangster" und agents provocateurs sollen statt dessen für die brutalen Aktionen bei den Protesten gegen die Tagung der Beratenden Volksversammlung in der Hauptstadt Jakarta (Jungle World, Nr. 47/98) verantwortlich sein. Nach letzten Berichten sind mindestens 14 Menschen bei den Protestdemonstrationen ums Leben gekommen, über 400 weitere wurden verletzt. Dabei schossen Soldaten nicht nur aus nächster Nähe mit Gummigeschossen auf Demonstranten, sondern setzten auch scharfe Munition ein.

Die Armee kündigte zwar eine Untersuchung des brutalen Einsatzes an, ist sich aber zugleich ganz sicher, daß sie es gar nicht gewesen sein kann: Die abgefeuerten Kugeln sollen sich nämlich von der normalen Abri-Munition unterschieden haben. Bildungsminister Juwono Sudarsono, der für seine guten Kontakte zur Abri bekannt ist, sprach gegenüber einer Studentendelegation von einem "Machtkampf in der Regierungshierarchie" und von "unkontrollierbaren Elementen innerhalb des Militärs", die die Armee und ihren Oberbefehlshaber General Wiranto diskreditieren wollten. Mit demselben Ziel hätten "interessierte Kreise" außerdem "Rowdys" mit je 20 000 Rupiah (knapp 4,50 Mark) dafür bezahlt, Krawalle anzuzetteln.

Bei all diesen Ansätzen, das Militär von jeglicher Verantwortung freizusprechen, ist nur eins klar: Nach dem harten Vorgehen gegen die Proteste wächst die Kritik an der Abri weiter. Vergangene Woche gab es vor allem in Jakarta Demos mit mehreren tausend Teilnehmern, die die Entmachtung Wirantos und den Rückzug der Armee aus der Politik des Landes forderten.

Seit dem blutigen Militärputsch von General Suharto im Jahr 1965 beansprucht das Militär eine Doppelfunktion als Streitmacht und als politische Kraft. Unter Präsident Bacharuddin Jusuf Habibie, der im Mai die Nachfolge von Suharto antrat, ist diese Rolle nicht in Frage gestellt. Vielmehr ist Abri-Oberbefehlshaber und Verteidigungsminister Wiranto der starke Mann der Regierung Habibie.

Teile der Protestbewegung setzen daher längst keine Hoffnung mehr auf eine reformasi, sondern fordern die revolusi. Immerhin bezifferte das staatliche indonesische Radio die Zahl der Demonstrationsteilnehmer vom 12. und 13. November auf eine Million, und die FAZ berichtete wenig erfreut, daß die "aggressiveren Elemente" in der Bewegung stärker würden.

Die große Mobilisierungskraft ist vor allem auf ein gemeinsames Vorgehen der verschiedenen Gruppierungen zurückzuführen, die sich gemeinsam miteinander organisiert haben. Diese neue Allianz, so urteilt die australische Green Left Weekly, "brachte alle wichtigen Studentengruppen, die organisierten Arbeiter und Slumbewohner und antimilitaristische Gruppen zusammen" und schuf damit eine wichtige Basis für die Proteste. Im Gegensatz zur Anti-Suharto-Bewegung im Mai steht nicht die personalisierende Forderung nach Ablösung seines Nachfolgers Habibie, sondern die Doppelfunktion der Armee im Vordergrund.

Habibie und Sudarsono boten vergangene Woche an, die Studenten in ihre reformasi einzubinden. Aber natürlich nur jene, die keine revolusi wollen: Gegen "Unruhestifter" soll "entschlossen" vorgegangen werden.