"SubversionsReader"

Subdischwupp

Studentenproteste heißen "Lucky Streik", und die Kulturindustrie scheint inzwischen so reibungslos zu funktionieren, daß man sich durchaus Che Guevara-Briefmarken der Bundespost vorstellen kann. Der Anspruch, Herrschaft abzuschaffen und an deren Stelle irgendeine Gesellschaftsform aus dem Gemischtwarenladen der tausend Linksutopien zu setzen, erscheint da genauso so lächerlich wie "Weltrevolution" überhaupt noch auszusprechen. "Kurz: Revolution wird nicht so bald stattfinden, weil im Gegenteil zunehmend für alle deutlich wird, daß die Dispositive der Macht allgegenwärtig sind.

Der bewaffnete Widerstand, insbesonders die RAF, setzte Mao auf die Tagesordnung ihrer konspirativen Sitzungen und dachte sich als autonome Gegenmacht, die in der Illegalität den Gegner zielgenau orten würde. Die Ergebnisse kann man in den verschiedenen Jubiläumsschriften aus dem letzten Jahr oder im "Zwischen-Berichte" betitelten Selbsterklärungs-Reader aus dem ID Verlag nachlesen.

Der "SubversionsReader" desselben Verlags ist in einer ähnlichen Art und Weise ein Vergangenheits-Bewältigungsversuch. Die Chaostage sind ein Anachronismus, ehemalige Hausbesetzer zahlen heute gerne Miete, die Antifa beschränkt sich auf Nazi-Skins-Kloppen, und die militantesten Konzepte sind heute, Steinchen auf Bullenhelme zu schmeißen. Was bezweckt also ein "Subversions-Reader" (klingt ja schon wie: "Subversion selbst gemacht /mit RAF-Poster zum Aufhängen"), der sich bloß wieder als Trostbuch radikaler Linker für radikale Linke liest?

Foucault erkannte Macht zwar als alles durchdringend, doch machte er zugleich auf die Schlupflöcher und Ränder aufmerksam, durch die hindurch man immer wieder subversiv sein kann. Doch dafür braucht man frische Ideen und muß sich auf ein Hase-und-Igel-Spiel einlassen. Das heißt, die Grammatik des Alltags kann immer wieder durchbrochen werden, selbst der olle Stil kann noch Felder einer Subversionsentfaltung finden.

"Die Kunst des Handelns" wie De Certeau diese durchaus subversiven Alltagspraktiken nennt, muß ständig neu erlernt werden. Die Handlungen und Rituale an sich werden dabei immer beliebiger. Zur rechten Zeit die richtige Platte zu hören, sich die Frage stellen, ob mit oder ohne Krawatte - in Zeiten wie diesen, bleibt nicht sehr viel mehr.

Nicht bloß eifrig Frankfurter Schule lesen, forderten die Militanten, und das gilt auch heute noch. Das eigene Denken und Handeln aufeinander abgleichen und sich ständig sagen: "Jetzt helfe ich mir selbst". Das sind die Möglichkeiten, die man noch hat. Was bringt es da, eine Anleitung zur Subversion zu versprechen und dann doch bloß, außer in dem Kapitel "Kultur- und Medienstrategien", retrospektiv die Hoffnungen und Wünsche von verschiedenen Gruppierungen und eines Verlags nachzuzeichnen, der sein Zehnjähriges in Gold feiert?

Martin Hoffmann (Hg.): SubversionsReader. ID Verlag, Berlin 1998, 200 S., DM 20