Wieder kein Golfkrieg

Rituale

Die Bilder und Worte gleichen sich: Die irakische Staatsführung verweigert den Waffeninspekteuren der Unscom die Mitarbeit, diese ziehen daraufhin empört ab. Die Uno verurteilt die "harte Haltung Iraks", die internationale Diplomatie versucht sich an alten und neuen Bündnissen. Anschließend verlegen die USA weitere Truppen und Flugzeugträger in den Golf. Und Saddam Hussein betont, nicht nachgeben zu wollen, solange das Embargo gegen sein Land nicht falle. Indes robben seine Elitetruppen schon mal prophylaktisch durch den Sand. In Kuwait, Jordanien und Saudi-Arabien machen es ihnen US-Soldaten nach. Oder vor?

Und doch sind die Bilder und Worte jedesmal anders: Die Namen der US-Flugzeugträger variieren ebenso wie die Haltung der jeweiligen Verbündeten. Bislang versuchte Frankreich, das Vorgehen der USA und Großbritanniens zu bremsen. Dieses Mal wird in Paris zwar auch wieder betont, es müsse zu einer politischen Lösung kommen, dafür getan wird jedoch kaum noch etwas.

Das Gros der arabischen Staaten war immer irgendwie mit dem Irak solidarisch, zumindest ideologisch: Schließlich ging es um eine "panarabische Einheitsfront" - und gegen Israel. In der Praxis standen die meisten dieser Staaten, wenn es darauf ankam, schließlich doch - allerdings mit Murren - an der Seite der "westlichen Invasoren". Vergangene Woche jedoch murrte eine Sondertagung von acht arabischen Staatschefs schon vorab. In ungewöhnlich scharfem Ton hieß es, Saddam Hussein habe endlich einzulenken. Nachsatz: im Interesse der "arabischen Sache".

Eine weitere Konstante war bislang auch, daß schließlich immer ein "Kompromiß" gefunden wurde. Soll heißen, daß der Irak immer nachgab - mal mehr, mal weniger. Um kurz darauf die Vereinbarung de facto wieder aufzukündigen. Auf die unter dem Label "Desert Thunder" laufenden Vorbereitungen zu einem Militärschlag Anfang dieses Jahres folgte im letzten Augenblick eine Einigung, die von UN-Generalsekretär Kofi Annan auf den Tisch gebracht worden war.

Nur wenig später beschwerten sich die ersten Unscom-Kontrolleure wieder, bei der Arbeit behindert zu werden, und im August reisten sie samt ihrem Chef, Richard Butler, ab. Dieses Mal nutzten selbst die Bemühungen Annans nichts. Und der hat mittlerweile, geht es um den Irak, soviel Erfahrung wie Bagdads Außenminister Tarek Asis als Sprecher vor der Uno, US-Außenministerin Madeleine Albright als Organisatorin von wechselnden Anti-Irak-Bündnissen und russische sowie chinesische Politiker bei Schlichtungsversuchen.

Auch am vergangenen Wochenende lenkte die irakische Staatsführung wieder ein: Aus einer zuerst vagen Andeutung, auf eine neuerliche Initiative des UN-Chefs positiv reagieren zu wollen, wurde letztlich eine Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis für die Unscom-Kontrolleure. Annan hatte zuvor ebenso vage in Aussicht gestellt, daß vielleicht in einem Brief an den Irak von einem Ende der Sanktionen die Rede sein könnte. So wollte es zumindest Nisar Hamdun, Iraks UN-Botschafter, verstanden haben.

Klar war man sich zu diesem Zeitpunkt lediglich über drei Dinge: daß der Brief noch nicht eingetroffen sei, daß ein Militärschlag unmittelbar anstehe und daß es dieses Mal um die politische Macht im Irak gehe: "Es ist möglich, daß Saddam umgebracht werden muß", erklärte ein republikanischer Senator salopp in Washington, kurz bevor die B-52-Bomber in die Luft stiegen - und wieder umkehren mußten.

Es geht also nicht mehr nur um die Kontrolle der irakischen Massenvernichtungswaffen. Aber auch das ist ein alter Hut. Spätestens seit dem vergangenen Jahr dürfen sich alle irakischen Exil-Oppositionellen, sofern sie nicht von links das internationale Herrschaftssystem in Frage stellen, großzügiger Geschenke und noch größerer Aufmerksamkeit nicht nur aus Washington erfreuen.

Dabei achtet Albright als Patronin aller irakischen Oppositionellen nicht so genau darauf, was ihre häufig islamistischen Anti-Saddam-Schäfchen so vor sich hinblöken: Daß Hussein deshalb weg müsse, weil er ständig Krisen provoziere, die von dem eigentlichen Skandal in der Region ablenken: Nämlich der Aggression Israels, wie letzte Woche ein Exil-Iraker der Zeitung Arabic News erklärte. Denn ein weiteres Bild wiederholt sich von Irak-Krise zu Irak-Krise: Israelische Sicherheitskräfte verteilen Gasmasken. Oder neue Filter für jene, die vor sieben, sechs, fünf oder wieviel Jahren auch immer bereits verteilt wurden.