Reise nach Jerusalem

Schon 1982 belastete der Berliner CDU-Senator Lummer die deutsch-israelischen Beziehungen, jetzt verweigerte Israel ihm die Einreise

"Unsensibel" sei es von Heinrich Lummer gewesen, am 9. November zusammen mit einer Gruppe von Ultrarechten nach Israel einreisen zu wollen, sagt Peter Ambroß.

Der ehemalige Pressesprecher der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ist mit der Persönlichkeit des langjährigen CDU-Bundestagstagsabgeordneten und ehemaligen Berliner Innensenators seit langem vertraut. Denn nicht erst seit Montag vergangener Woche, als das israelische Außenministerium dem CDU-Politiker und seinen Begleitern die Einreise untersagte, beweist Lummer Geschick in politischer Pietätlosigkeit gegenüber jüdischen Überlebenden des Holocaust.

Begonnen hat Lummer seine Karriere auf diesem Gebiet spätestens 1982. Peter Ambroß war damals Angestellter der Senatskanzlei in West-Berlin. Seine Aufgabe sei es gewesen, so schildert er, Reiseprogramme nach Berlin für in Israel lebende Opfer des Nazi-Regimes zu organisieren. "Wir sollten zeigen: Juden sind in dieser Stadt willkommen. Die Menschen sind nicht mehr wie früher."

Dem stand schon damals Heinrich Lummer entgegen, der als Bürgermeister und Innensenator beim Empfang jüdischer Holocaust-Opfer stets zu den Festrednern gehörte. Gleichzeitig pflegte er Kontakte zu Angehörigen des Heidelberger Kreises, eines Zusammenschlusses rechter Professoren, der gerade ein Papier gegen die "Gefahr der Überfremdung der deutschen Wissenschaft" veröffentlicht hatte.

Eine Aktuelle Stunde im Abgeordnetenhaus, beantragt von der damaligen Alternativen Liste, machte den Skandal öffentlich. Lummer, dessen Person die Anfrage galt, habe während der ganzen Sitzung nur ein zynisches Lächeln gezeigt, erzählt Peter Ambroß. Im Anschluß, unter vier Augen, habe der CDU-Rechte aus seinen Verbindungen keinen Hehl gemacht, berichtete die damalige Sprecherin der AL-Fraktion hinterher. "Zutiefst schockiert von der Sitzung", reichte Ambroß seine Kündigung ein - die widerspruchslos akzeptiert wurde.

Den neuen Skandal um Lummer hält Ambroß hingegen für "aufgebauscht". Lummers Reisegruppe der "Deutschen Konservativen" selbst argumentiert, aus "organisatorischen Gründen" sei ihre Einreise nach Israel auf den sechzigsten Jahrestag der Reichspogromnacht gefallen. Ein Zusammentreffen, das der Unternehmung ein schnelles Ende bescherte - das Außenministerium in Tel Aviv erteilte der Lufthansa-Maschine LH 690 keine Landeerlaubnis. Nach einer Zwischenlandung in Istanbul trat die 32köpfige Reisegruppe den Heimweg an.

Dan Tichon, Präsident der Knesseth, kann für den "Zufall" kein Verständnis aufbringen: "Warum kommen sie nach Israel, eine Rassistengruppe, eine Gruppe, die als rassistisch identifiziert ist, warum kommen sie zum sechzigsten Jahrestag der Reichspogromnacht?" Eine "mehrtägige Studienreise" habe man vorgehabt, sagt der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Joachim Siegerist aus Hamburg. Siegerist, Vorsitzender der Deutschen Konservativen, die 1980 zur Unterstützung des damaligen Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß ins Leben gerufen worden waren, war die eigentliche Ursache für das Einreiseverbot. Da eine Intervention israelischer Behörden abzusehen war, hatte Siegerist seine Teilnahme an der rechten Studienreise vor dem Abflug abgesagt.

Offensichtlich ohne Wissen der Israelis: "Die Empfehlung war, die ganze Gruppe nicht hereinzulassen, weil wir dachten, Siegerist sei ihr Kopf", begründet Effi Ben Mattitjahu vom israelischen Außenministerium die Maßnahme. Verstehen kann der 51jährige Siegerist, der früher für die Bild-Zeitung geschrieben hat, die israelische Haltung nicht. Er, der "Freund Israels", wie er sich selbst in einem Schreiben an die israelische Botschaft bezeichnet, sei im lettischen Riga, wo er die Jüdische Gemeinde finanziell unterstütze, mit einer Gedenktafel geehrt worden. Den Nachrichtenagenturen sagt er später: "Es gab keinen einzigen Neonazi."

Siegerist müßte es besser wissen. Zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung und 24 000 Mark Geldstrafe hat ihn das Hamburger Landgericht im November vergangenen Jahres verurteilt. Als "übles und kriminelles Pack" waren in einem Spendenaufruf seiner Deutschen Konservativen Sinti und Roma beschimpft worden. "Zigeuner produzieren Kinder wie die Karnickel", hieß es in dem Pamphlet, mit dem eine Kampagne gegen das deutsche Asylrecht finanziert werden sollte. Dem Aufruf lag ein Überweisungsformular mit dem Stichwort "Zigeunerterror" bei. Siegerist übernahm als Vorsitzender die Verantwortung. Den Geschäftsführer der Deutschen Konservativen indes sprach das Gericht frei, obwohl er für die Publikation juristisch verantwortlich war. Im Verfassungsschutzbericht wurde der Verein nur einmal - in der Ausgabe von 1995 - als rechtsextrem bezeichnet.

Lummer sollte Siegerist, der infolge seiner Verurteilung in Israel als "unerwünschter Rassist" gilt, als Delegationsleiter auf der Reise zu "Stätten christlicher und römischer Geschichte" vertreten. Es hätte sich kein Besserer finden können: Schon 1970 hatte Lummer einer rechtsextremen Gruppierung, die den Wahlkampf der SPD torpedieren sollte, 2 000 Mark gespendet - eine Geste, die ihn fast zwanzig Jahre später sein Amt als Innensenator kostete. Ein würdiger Ersatz wäre Lummer allemal gewesen: In einem Fax, in dem Siegerist der israelischen Zeitung Yediot Ahronot mit einer Klage droht, wird er als "Ehrenpräsident" der "Deutschen Konservativen" aufgeführt. Gegen Lummer selbst lag kein Einreiseverbot vor. Offenbar arbeiten auch israelische Behörden manchmal etwas langsamer.