"Mehmet" muß jetzt den Türken spielen

Ein Bayer weniger

Wenn es darum geht, das katholische Herzland von fremdländischen kriminellen Elementen zu säubern, dann ist das dem Bundesverfassungsgericht schon mal eine kleine juristische Kniebeuge wert. Doch die Richter der Ersten Kammer des Zweiten Karlsruher Senats dürfen sich in guter Gesellschaft wähnen: Das Rechtsempfinden ihrer Kollegen am Verwaltungsgerichtshof zu München ist auch nicht besser ausgeprägt.

Nur, wenn unmittelbare "Gefahr für die Öffentlichkeit" von ihm ausgegangen wäre, hätte nach geltendem Recht der jugendliche "Intensivtäter" Mehmet in die Türkei abgeschoben werden dürfen. So unsicher sind aber Bayerns Gefängnisse noch längst nicht, daß ihre Insassen die Flaneure am Isarkai bedrohen. Nachdem "Mehmet" zu einem Jahr Jugendhaft ohne Bewährung verurteilt wurde, hätte er also, wäre es mit dem Gesetz zugegangen, bis mindestens Mitte nächsten Jahres Abschiebeschutz genossen. Doch die Münchener Richter fanden den Jugendhäftling so gefährlich, daß sie es für angebracht hielten, ihn schleunigst außer Landes bringen zu lassen.

Und auch die Rechtsprechung des als kreuzkonservativ bekannten Zweiten Verfassungsgerichts-Senats orientierte sich an Justitia: In der Rechten das Schwert, in der Linken die Waagschale, und die Augen fest verbunden, damit man auch ja nicht wahrnimmt, wohin das Pendel sich neigt. Daß "Mehmet" zum Zeitpunkt der Entscheidung am vergangenen Freitag sicher hinter bayerischen Gardinen saß, das wußten die Richter zwar, sie ignorierten es aber schlicht. Wie zum Hohn merkten sie an, dieser Gesichtspunkt - dessen Faktizität sie damit anerkannten - sei schließlich nicht vorgetragen worden, weswegen man ihn auch nicht berücksichtigt habe. Streng nach Gerichtsordnung.

Am Münchener Franz-Josef-Strauß-Ring ließ man die Bierkrüge krachen: Die Tinte unter der höchstrichterlichen Farce war noch nicht trokken, da fand sich "Mehmet" bereits am Flughafen von Istanbul wieder - in einem Land, das mit dem Ungültig-Stempeln seines Reisepasses kurz zuvor demonstriert hatte, wieviel Wert man dort darauf legt, den Bayern ihre Schwererziehbaren abzunehmen. Der nächste Verwandte, ein Onkel, der "Mehmet" nur von dessen gelegentlichen Urlaubsbesuchen kennt, hat bereits vor Wochen deutlich gemacht, daß er sich für dessen Erziehung nicht zuständig fühlt. Von "Mehmets" "Wenn i scho zuahau, dann g'scheit"-Charme hatte sich der Anatolier offensichtlich nicht beeindrucken lassen. Als "bayerische Art" hat Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber zu einer Zeit, als "Mehmet" noch zu klein für so etwas war, dergleichen krachledernen Umgang mit dem Nächsten apostrophiert: Da werde schon einmal kräftig hingelangt.

"Mehmet" war ein gelehriger Schüler seines Pater patriae. Trotzdem wird er nun wohl zunächst einige Zeit in einem Heim in der Türkei verbringen, wo es kein Bier und keine Weißwurst nicht gibt, um dann - nunmehr wirklich der Not gehorchend, schließlich ist er nicht einmal der Landessprache mächtig - seine Laufbahn als Krimineller fortzusetzen. In Istanbul wird er sich wohl schnell einen passenden Kieznamen zulegen - passend wäre vielleicht "boarischer Hiasl" oder, Stoiber zu Ehren, "Lederhosen-Ede". Dem Resozialisierungsgedanken des bayerischen Strafvollzugs wäre dann endlich Genüge getan.

Breit grinsend hatte die Landesregierung "Mehmets" Eltern angeboten, sie könnten ihren Sohn ja begleiten. Ganz bestimmt werde man ihnen danach die Wiedereinreise in den Freistaat gestatten. Ursprünglich hatte die Münchener Regierung - dadurch hatte der "Fall Mehmet", der in Wahrheit ein Fall CSU ist, erst seine Publizität erhalten - gedroht, die Eltern mitsamt dem jugendlichen Straftäter abzuschieben. Wegen "Vernachlässigung der Aufsichtspflicht". In diesem Falle immerhin gebot der Verwaltungsgerichtshof der bayerischen Hauptstadt seiner Landesregierung Anfang September Einhalt. Die Eltern lehnten die freundliche Einladung zur Türkei-Reise dennoch dankend ab.

So kam es, daß lediglich Mehmets Freundin ihn begleitete, eine 16jährige Deutsche; so wie praktisch alle, die je mit dem heute 14jährigen bei einer Straftat erwischt wurden, Deutsche waren. Ausländerkriminalität? "Mehmets" Sozialisierung ist so bayerisch wie die Wildecker Herzbuben.