Innenminister Schily nimmt Kontinuität ernst

Der Sheriff kehrt zurück

Otto Schily sieht nicht aus wie Manfred Kanther. Er hat nicht diesen akkuraten Linksscheitel, auch nicht den militärisch aufrechten Gang seines Amtsvorgängers. Irgendwie kommt er gemütlicher daher, plaziert seinen Bürokratenkörper mit Gelassenheit im Sessel auf der Regierungsbank und lehnt sich leger zurück.

Doch wer sich den Weisungen des neuen SPD-Innenminister unterstellt sieht, für den wird es ungemütlich. Und da die deutsche Innenpolitik sich seit einigen Jahren fast nur noch mit Nichtdeutschen befaßt, sind es vor allem die "Ausländer", denen auch nach Kanthers Abgang das Leben schwer gemacht wird.

"Die Grenze der Belastbarkeit Deutschlands durch Zuwanderung ist überschritten", sagte der Innenminister am Sonntag dem Berliner Tagesspiegel. Die Zuwanderungsgrenze, so Schily, hätte gar auf "Null" herabgesetzt werden müssen, wenn neben dem Kompromiß der Regierungskoalition zur doppelten Staatsbürgerschaft auch ein Zuwanderungsgesetz verabschiedet worden wäre.

Das Boot ist also wieder mal voll. Und zwar nicht nur für die Menschen, die Schily im Einklang mit CSU und Republikanern als "Wirtschaftsasylanten" bezeichnet, sondern auch für Flüchtlinge, die in ihrem Heimatland von politischer Verfolgung, Folter und Mord bedroht sind.

Denn nach wie vor, daran will auch der starke Mann der Sozialdemokraten nicht rütteln, hat keinen Anspruch auf Asyl, wer von nichtstaatlichen Kräften verfolgt wird. Das führt zum Beispiel dazu, daß Frauen aus Afghanistan, die wegen lackierter Fingernägel von der Taliban verstümmelt werden, kein Asyl beantragen können, weil die Taliban nicht offiziell als afghanische Regierungsmacht anerkannt sind.

Einen seiner Lieblingssprüche tischt der Ex-Grüne auch in diesem Zusammenhang immer wieder gerne auf: "Die Rechtsstaatlichkeit ist Kernbestandteil unserer Verfassung." Und schließlich gebe es zum Asylrecht eine "klare Rechtssprechung" - die sich ausschließlich an staatlicher Verfolgung orientiert. Für eine eventuelle Neuregelung verweist der Innenminister - wie es in der rot-grünen Koalition bei vielen strittigen Themen Usus ist - auf die europäische Ebene und stellt gleich klar, daß die Innenminister der meisten EU-Staaten den Asylanspruch, den die BRD zumindest noch einigen wenigen politisch Verfolgten gewährt, ablehnen.

Vielmehr werde auf EU-Ebenen bereits überlegt, dem Vorschlag Österreichs zu folgen und eine "unabhängige Institution" zu gründen, die allein befugt wäre, über Bleiberecht oder Abschiebung zu entscheiden - außergerichtlich versteht sich.

Doch wie die Freigabe weicher Drogen, die PDS-Überwachung durch den Verfassungsschutz und die "Grenzen für die Eingriffsbefugnisse des Staates" (Stichwort: Großer Lauschangriff) will Schily auch die Möglichkeiten für eine neue Asylregelung "erst einmal prüfen". Bis dahin schürt der Law-and-Order-Freund weiter kräftig Unbehagen in der Bevölkerung. Neben der Zuwanderung macht er sich Sorgen um die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen in den bundesdeutschen Großstädten und warnt trotz stagnierender Verbrechensstatistik davor, Kriminalität "zu bagatellisieren".

Bei seinem Amtsantritt sagte Schily noch präventiv, niemand müsse sich Sorgen machen, daß es erstmals gelungen sei, den scheidenden Inneminister zu klonen. Wie gesagt: Man sieht es ihm nicht an - doch wer den Worten Schilys lauscht, hört Kanther.