Von Cossuta und Cossiga

In Italien soll PDS-Chef Massimo D'Alema eine neue Regierung bilden

Eigentlich müßte Fausto Bertinotti, Parteichef von Rifondazione Comunista (RC), zufrieden sein. Denn mit Massimo D'Alema, der Nummer Eins der italienischen Linksdemokraten (PDS), bemüht sich seit dem vergangenen Freitag sein Wunschkandidat um den derzeit vakanten Posten des Regierungschefs im Kabinett. Und damit um die Nachfolge Romano Prodis, der gleichzeitig von der politischen Bühne abgetreten ist. Vorerst.

Als Bertinotti vor knapp zwei Wochen den Haushaltsentwurf Prodis für 1999 scheitern ließ (Jungle World, Nr. 42/98) und damit für dessen Sturz sorgte, war die Motivation der RC-Parteispitze klar: Prodi, der eher für die politische Mitte des regierenden Ulivo-Bündnisses stand, sollte als Regierungschef von dem Linksdemokraten D'Alema abgelöst werden, ohne daß die Machtbasis Ulivos samt tolerierender RC im Parlament verloren ginge.

D'Alema würde, um künftige Risiken von seiten der Neokommunisten auszuschließen, einen Teil der RC-Forderungen aufgreifen und in Form von Gesetzen zur 35-Stunden-Woche, zur Strukturförderung des Mezzogiorno und zur Bildungsreform im Parlament einbringen. Rifondazione wäre aus einer kurzen Regierungskrise auf jeden Fall gestärkt hervorgegangen - als Partei, die nicht alles mit sich machen läßt und zur Not auch mal einen Regierungschef über die Klinge springen läßt, sowie als politische Kraft, die in der Lage ist, ihre Forderungen (wenn auch abgeschwächt) durchzusetzen.

Doch gekommen ist wieder einmal alles ganz anders. Zwar ist Romano Prodi der große Verlierer der Krise, der größere jedoch ist Fausto Bertinotti. Und mit ihm Rifondazione Comunista. Denn D'Alema macht, seitdem er am Wochende von Staatspräsident Luigi Scalfaro mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, keinerlei Anstalten, die Reformkommunisten an der politischen Macht zu beteiligen. Zudem sind auch noch 22 der 34 Parlamentssitze verlorengegangen - an eine Gruppe um den einstigen RC-Fraktionschef Armando Cossuta. Und der hat zu allem Überdruß auch noch eine neue Kommunistische Partei (Partei der Italienischen Kommunisten, PdCI) gegründet, die schon Prodi stützen wollte und nun erst recht an der Seite D'Alemas steht. Als "gemäßigte Kraft der Linken", wie Cossuta jüngst erklärte.

Seine Hauptforderungen an eine mögliche Regierung D'Alema: "Die 35 Stunden werden stehen bleiben" - und: Keine Machtbeteiligung von Rifondazione. Die für eine stabile Mehrheit nötigen Parlamentsstimmen muß sich D'Alema also woanders holen. Alle Parteien des rechten Oppositionsbündnisses Polo della libertˆ (Forza Italia, Alleanza Nazionale sowie der rechtskatholischen Splitterpartei CCD) haben bereits abgewunken und von Protestkundgebungen gegen den "Linksruck" (Silvio Berlusconi) bis zu Mandatsniederlegungen im Abgeordnetenhaus allerlei Widerstand angekündigt. Die Lega Nord steht - trotz D'Alemas Integrationsangebot ein Föderalismusministerium einzurichten - ebenfalls nicht zur Verfügung.

Bleibt nur die Unione democratica per la repubblica (UDR) des politischen Multifunktionärs der sogenannten Ersten Republik Italiens, Francesco Cossiga. Die UDR als "Partei der katholischen Mitte" (Cossiga) verfügt zwar über keine Parteibasis, dafür aber über 33 Parlamentssitze. Ohne als Partei je gewählt worden zu sein. Hintergrund: Cossiga hatte sich Anfang des Jahres kurzerhand als Staubsauger für unzufriedene Parlamentarier betätigt und dem Polo eine Partei (CDU) komplett sowie die Hälfte der CCD-Mandatäre abgeworben. Aber auch einzelne Abgeordnete von Ulivo liefen damals über.

Nun hat sich die UDR am Wochende Ulivo als Koalitionspartner angeboten. Natürlich unter Bedingungen: An der ersten, der alte Regierungschef dürfe nicht der neue sein, scheiterten bereits die Sondierungsgespräche Prodis Mitte letzter Woche, in die dieser, ohne recht zu wollen, von fast allen Seiten gedrängt worden war. Eine weitere Hauptforderung, die Stärkung der katholischen Privatschulen zu Lasten des staatlichen Bildungssektors, wird aber auch auf den Widerstand D'Alemas, und den der "gemäßigt linken Kommunisten" sowieso, stoßen. Am Montag stellte Cossiga deshalb sogar seinen Rücktritt als UDR-Vorsitzender in Ansicht - in der Hoffnung, dadurch das Gesprächsklima zu verbessern. "Eine Allianz, zwei Entwürfe" titelte am Wochenende, also noch vor den für Montag angesetzten ersten offiziellen Gesprächen, Berlusconis Hausblatt Corriere della sera.

Umgekehrt käme es besser hin: Zwei Allianzen, nämlich die von Cossuta und seinen Anhängern mit dem "linken" PDS-Flügel und die von Cossigas UDR mit dem Rest von Ulivo, und ein Entwurf: Den Zugriff auf die politische Macht um jeden Preis. Sowohl Cossuta als auch Cossiga können als Minister in eine Regierung D'Alema aufgenommen werden, ebensogut können beide die bisherige Rolle Bertinottis übenehmen: tolerieren und platzen lassen.