Schallplatten, die keiner bestellt hat

Knochenmacher

Red Snapper gehören zu den wenigen Drum'n'Bass-Trios, die es sich bei dieser knappen Besetzung leisten, einen Gitarristen zu beschäftigen. David Ayers heißt der und hängt den ganzen Tag gelangweilt im Studio herum. Manchmal geht er kurz raus, holt sich was vom China-Imbiß und steht dann wieder ruhig in der Ecke, bis er für ein Stück wieder an dieser oder jener Saite zupfen darf. Das einfach zu sampeln wäre sicherlich billiger, aber Red Snapper scheinen sich in der Verwertungslogik sowieso nicht so richtig zu Hause zu fühlen. Oder sie kennen den David schon so lange, daß sie ihn gar nicht mehr rausschmeißen können.

Richard Thair und Ali Friend, die sich bei Red Snapper um die für Drum'n'Bass-Bands wichtigeren Dinge kümmern, haben aber noch viel mehr Freunde. Byron Wallen z.B. kommt auf eine Tüte Trompeten im Studio vorbei, MC Det und Alison David rappen und singen auf der CD "Making Bones" für sie.

MC Det hat es dabei immer unglaublich eilig, so als wäre ihm um Viertel vor acht noch aufgefallen, daß keine Milch mehr im Kühlschrank ist und er jetzt noch schnell runter zu Karstadt muß, bevor es zu spät ist. Alison David hat dagegen die Ruhe weg, die hat ihre Einkäufe bestimmt schon am Vormittag erledigt. Dafür sitzt sie dann den ganzen Tag allein zu Hause rum und verkriecht sich in ihre Depressionen. Da hilft auch kein Dosenbier.

Meistens wird bei Red Snapper aber lieber nicht gesungen. Baß und Schlagzeug verhalten sich dann so synkopisch zueinander, wie sich das gehört. Lustige Klänge werden ausgedacht und auf diese oder jene Spur gelegt. Wie z.B. das Tür-auf-Tür-zu-Geräusch aus der USS Enterprise auf dem Titel "Crease", der so klingt, als sei er gerade aus dem letzten James Bond-Soundtrack geklaut worden.

Der Rest ist ein erfreuliches Drunter und Drüber, bei dem fast jeder Musikstil auch einmal Breakbeat sein darf. Am liebsten Jazz. Und für die Remixe der Single "Bogeyman" haben sich Ayers, Thair und Friend mit den Two Lone Swordsmen und David Holmes sogar richtige Techno-Leute ins Haus geholt.

Die meiste Zeit geht es bei Red Snapper ganz schön hektisch zu. Die gespannte Großstadt-Stimmung, die M. Doughty und seine Combo Soul Coughing in New York so nervte, scheint es also auch in London zu geben. Andauernd laufen irgendwelche Filme ab, in denen es meistens um einfache Erpressung, größere Verschwörungen oder den alltäglichen Handtaschenraub geht. Auf jeden Fall ist immer eine kleine Verfolgungsjagd drin. Fast so wie bei Miami Vice: Crocket hat den einen Drogendealer schon in Handschellen gelegt, während er Tubbs durch sein kulturbeutelgroßes Handy zubellt, wohin der andere gerade flüchten will. Tubbs also rein in sein Auto und Vollgas die Strandpromenade runter. Und so weiter.

Nach all dem Streß fahren wir dann am Ende aufs Land, um dort den wohlverdienten Feierabend zu genießen. David Ayers kriegt wieder etwas Arbeit, weil dort draußen, wo die Grillen zirpen, schließlich in der Regel auch Gitarren gezupft werden müssen. Man sitzt auf der Veranda und prostet einander mit eiswürfelgekühlten Gin Tonics zu. Wurde ja auch Zeit nach der ganzen Arbeit.

Aber zum richtigen Country-Klischee lassen es Red Snapper dann doch nicht kommen. Ayers wird losgeschickt, um frische Drinks zu besorgen, Thair und Friend basteln den Song ohne ihn zuende.

Red Snapper: "Making Bones", Rough Trade