Doppelter Kabila gehockt

Der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo geht weiter. Und mit ihm die Kapriolen zentralafrikanischer Politik

Afrika führt wieder einmal Salti vor, die zuvor unbekannt waren. Ob das erstaunte Publikum diese Kapriolen kennenlernen sollte, ist eine andere Frage. Man muß sich wohl von der Vorstellung verabschieden, daß in Afrika Allianzen durch gemeinsame Ideen und gemeinsame Interessen - oder umgekehrt - gebildet werden. Es gibt nur Feinde, größere und kleinere, die allerdings zu besten Verbündeten werden können, wenn sie sich mit noch größeren Feinden überwerfen.

Vor knapp einem Jahr erklärte mir in Kinshasa ein Berater des kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila, daß im Kongo gabunesische Rebellen ausgebildet würden, um auf den Sturz des dortigen Präsidenten Omar Bongo, einen der willfährigsten Handlanger französischer Afrika-Interessen, hinzuarbeiten. Ob die Aussage wahr war oder nicht, ist nicht entscheidend, der Wille war auf jeden Fall vorhanden.

Heute fährt Kabila nach Gabun, in die Zentralafrikanische Republik (ZAR) - die er zuvor beschuldigt hatte, ehemaligen Mobutu-Generälen Operationsbasen zu überlassen -, außerdem in den frankophonen Tschad. Auch dort sucht er nach "Unterstützung". Nachdem Kabila noch vor wenigen Monaten die radikale Opposition unter Mobutu als Mobutisten denunziert hatte, übergab er in der vergangenen Woche das Kommando in seiner Hochburg Katanga vier ehemaligen Mobutu-Generälen.

Ein anderes Beispiel: Die kongolesischen Rebellen beschuldigen Kabila, 2 000 sudanesische Regierungssoldaten in Kindu, einer zwischen der zentralen Metropole Kisangani und dem östlichen Kivu gelegenen Stadt, stationiert zu ha-ben. Die Behauptung ist zwar nicht be-stätigt, aber Kabila hat sich Anfang September in Sudans Hauptstadt Khartum mit hohen Regierungsvertretern getroffen. Einige Tage später empfing er eine sudanesische Delegation in Lubumbashi.

Dieses Szenario ist fast beliebig erweiterbar: Die ugandische Regierungszeitung New Vision meldete jüngst, die südsudanesische Rebellenbewegung SPLA habe nach diesen Treffen Stellung an der kongolesisch-sudanischen Grenze bezogen. Die sudanesische Regierung behauptet im Gegenzug, die ugandische Armee habe der SPLA vergangene Woche bei einem Angriff auf Städte im Süd-Sudan geholfen. Das folgende und übliche Dementi aus Uganda konnte nicht einmal mehr verdecken, daß solche Grenzüberschreitungen schon öfter vorgekommen sind.

Die ugandisch-sudanesische Feindschaft liefert jedoch keinen Anlaß zur Sorge. Sie ist eine der wenigen Konstanten in Afrika. Daß es Kabila gelingt, das frankophone Zentralafrika (Gabun, Tschad und ZAR) - alle anderen Regionen außer Westafrika sind ohnehin involviert - in den Krieg zu ziehen, ist im Augenblick unwahrscheinlich. Zum einen sieht es so aus, als habe die Kabila-Regierung, wenn nicht gar die militärische Initiative gewonnen, so zumindest die größte Gefahr vorerst abgewendet. Außerdem hätte bei einer solchen Einbeziehung Frankreich ein Wort mitzureden. Der ƒlysée-Palast hat sich aber - worauf die ungewöhnliche Stille in Paris schließen läßt - noch nicht für eine Seite entschieden.

Die militärische Situation ist zur Zeit schwer einzuschätzen: Beide Seiten melden ständig, diese oder jene Stadt eingenommen oder zurückerobert zu haben. Der Gegner behauptet umgehend das Gegenteil, unabhängige Bestätigungen bleiben aus. Als sicher kann gelten: Die Rebellen kontollieren nach wie vor einen Streifen im Osten des Kongo an den Grenzen zu Uganda, Ruanda und Burundi sowie Kongos zweitgrößte Stadt Kisangani, die rund fünfhundert Kilometer westlich liegt. Relativ sicher ist auch, daß - entgegen der Behauptung der Regierung - die Stadt Kalemie, an der Grenze zwischen dem Süd-Kivu und Katanga, ebenfalls von Einheiten der Rebellenallianz RCD kontrolliert wird.

Da die Hauptstadt Kinshasa außer Reichweite liegt, kündigten die Aufständischen jüngst an, ihre Angriffe auf Katanga im Süden des Landes konzentrieren zu wollen. Gefährlich für die RCD-Truppen ist, daß die Regierung Städte mit Flughäfen (wie Kindu) kontrolliert. Von dort sollen, so will es die Regierung, demnächst Großangriffe gestartet werden.

Die Chance für eine friedliche Lösung des Konfliktes haben sich indes verschlechtert. Nachdem Uganda und Ruanda Anfang September einem Waffenstillstand - der nach der Unterzeichnung bereits ungültig war - zugestimmt hatten, gibt es zur Zeit keine erfolgversprechende Vermittlung. Und das, obwohl am vergangenen Wochenende der tansanische und der sambische Präsident nach Uganda gereist sind - offenbar, um Druck auf den dortigen Präsidenten Yoweri Museveni auszuüben. Zwar gelten beide Staaten in dem Konflikt als neutral, aber ihr Vermittlungserfolg hält sich in Grenzen. Die Zeiten, da Tansania in Afrika noch was zu melden hatte, liegen fast 20 Jahre zurück.

Auch der UN-Sicherheitsrat hat sich in der vergangenen Woche wieder einmal zur Kongo-Krise geäußert. In einer Resolution, die als peinlich bezeichnet werden kann, wird "ein sofortiger Waffenstillstand, der Rückzug aller ausländischen Truppen sowie die Initiierung eines Friedensprozesses und politischen Dialoges" gefordert. Nichts Konkretes sagt man nicht. Und vor allem: keine Namen nennen. Hält da jemand im Sicherheitsrat die schützende Hand über Ruanda und Uganda?

Die USA sind wenigstens etwas weiter: Die stellvertretende Staatssekretärin Susan Rice, im Außenministerium zuständig für Afrika, bezeichnete letzte Woche die Intervention Angolas, Namibias und Simbabwes zugunsten Kabilas als "destabilisierend". Uganda und Ruanda hingegen, glaubte sie meinen zu dürfen, hätten "das ganze Ausmaß" ihrer Verwicklung noch nicht eröffnet.

Die Truppen der drei SADC-Staaten hatten Ende August bei ihrem Vormarsch westlich von Kinshasa 500 ruandische und ugandische Soldaten gefangengenommen. Der simbabwische Präsident Robert Mugabe gab daraufhin bekannt, über die Freilassung der Soldaten werde erst verhandelt, wenn die beiden ostafrikanischen Staaten ihre Intervention öffentlich eingeräumt hätten. Die Vereinigten Staaten schalteten sich als Vermittler ein. Seitdem wurde von den Soldaten nichts mehr gehört.

Natürlich wissen die USA, was gespielt wird. Die ruandischen Streitkräfte werden nach wie vor von US-Ausbildern in der "Anti-Guerilla-Bekämpfung" unterwiesen. Auch die Zusammenarbeit mit der ugandischen Armee ist gut. Dennoch ist die Position der beiden Staaten schwächer geworden. Aber sie stehen noch lange nicht mit dem Rücken zur Wand. Selbst wenn sie aus dem Kongo vertrieben werden sollten, könnten sie immer wieder über die Grenze den Kivu im Osten Kongos angreifen.

Daß Kabilas Truppen den Kivu unter Kontrolle bringen oder gar in Uganda oder Ruanda einmarschieren könnten, ist ausgeschlossen. Denn da ist Susan Rice vor, die den Kontakt zu den von ihrer Chefin, der US-Außenministerin Madeleine Albright, als "neue Gattung" bezeichneten afrikanischen Staatschefs hält. Und mit denen sich die USA auf Gedeih und Verderb verbunden zu haben scheinen.