Nordischer Nachschub

Dank liberaler Gesetzgebung gilt Dänemark immer noch zahlreichen Neonazis als sicherer Standort

"Alle Symbole und Uniformen sind erlaubt", versicherte die Dänische Nationalsozialistische Bewegung (DNSB) ihren europäischen Kameraden im Aufruf zum "Rudolf Heß Gedenkmarsch 1998" nach Kopenhagen. Vom Hakenkreuz bis zur SS-Rune. Lediglich der "Aufruf zum Rassenhaß ist verboten", konnte die DNSB die deutschen Neonazis beruhigen, bevor sie diese vor wenigen Wochen in die dänische Hauptstadt einluden. Die Aktion scheiterte, weil die dänischen Behörden den Gedenkmarsch verboten. Ersatzweise marschierten hundert Neonazis auf einem kurzfristig genehmigten Umzug durch den Kopenhagener Vorort Greve.

Seit Jahren nutzen Rechtsextreme die liberale Gesetzgebung des Landes für ihren "Kampf für die arische Rasse". Wie jetzt zum elften Todestag des Hitler-Stellvertreters mobilisierte die DNSB schon 1995 zum selben Anlaß in Absprache mit Nazigruppen aus den Niederlanden, England, Schweden und Deutschland zum Marsch ins dänische Roskilde. Dieser Versuch, öffentlich aufzutreten, endete mit heftigen Ausschreitungen: AnwohnerInnen, GewerkschafterInnen und AntifaschistInnen vertrieben die Neonazis. Zwei Jahre später konnten sie jedoch in Koge unter Polizeischutz marschieren.

Hinter dem Chef der DNSB, Jonni Hansen, dem selbsternannten "Chairleader der nordischen Nationalsozialistischen Bewegung", steht die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei/ Auslands- und Aufbauorganisation (NSDAP/AO). Wegen des Verbots dieser Gruppe in der Bundesrepublik nutzten die strammen Hitler-Apologeten ab den achtziger Jahren Dänemark, um von dort Deutschland mit Propaganda zu versorgen. Zunächst regelte Thies Christophersen, 1996 verstorbener Mitbegründer der NSDAP/AO und Herausgeber des Buchs "Auschwitz-Lüge", die Geschäfte, floh 1986 aber nach Dänemark, um einer Haftstrafe zu entgehen.

Von Kollund aus gab der ehemalige SS-Wachmann in Auschwitz weiterhin seine revanchistische Bauernschaft heraus, baute einen umfangreichen Versandhandel neonazistischer Literatur auf und pflegte die Kontakte mit der DNSB. Zu seinen regelmäßigen Gästen zählte neben deutschen Neonazi-Kadern auch Gery Lauck, der Herausgeber der NSDAP/AO-Postille NS-Kampfruf und Vorsitzender der Organisation.

Als 1995 Christophersen nach Protesten Dänemark verlassen mußte, übernahm Hansen und seine DNSB die "Versorgungslinie Nord". Aus seinem "SA-Heim" im Kopenhagener Vorort Greve organisierte er den Versand von Hakenkreuz-Aufklebern, Hitler-Reden sowie Propagandaschriften und wurde enger Mitarbeiter Laucks - bis Lauck bei einem seiner Besuche verhaftet und nach einem deutschem Rechthilfe-Gesuch ausgeliefert wurde.

Hansens "SA-Heim" beheimatet auch den Sender "Radio-Oasen", der mit staatlicher Unterstützung einmal wöchentlich die Nachbarschaft des Neonazis mit Hitler-Reden und Nazi-Rock beschallt. An dem einträglichen Geschäft mit neonazistischer Musik verdient der Musik-Versand NS 88-Records, der von dem Deutsch-Dänen Marcel Schilf geleitet wird. Der langjähriger Mitbewohner von Hansen beliefert den bundesdeutschen Markt mit indiziertem Nazi-Rock. Bei seinen deutschen Zwischenhändlern beschlagnahmte die Polizei Anfang dieses Jahres mehrere hundertausend CDs.

NS 88 ist zusätzlich eingebunden in internationale militante Nazi-Strukturen. Zusammen mit der britischen Nazi-Terrorgruppe Combat 18 plante der Versand-Mitarbeiter Thomas Derry Nakaba Briefbombenanschläge. Bevor er jedoch drei Bomben von Schweden nach England schicken konnte, verhaftete ihn die Polizei. Dabei erschoß Nakaba einen Beamten, weshalb ihn ein Kopenhagener Gericht im letzten Jahr zu acht Jahren Haft verurteilte.

Bis dahin konnten die Nazi-Rock-Produzenten unbehelligt ihren einträglichen Geschäften nachgehen. Neben Deutschland belieferten sie vor allem den großen skandinavischen Absatzmarkt. Die schwedische Nazi-Band Ultima Thule, die auch in Deutschland für volle Konzertsäle sorgte, belegte wochenlang Platz eins der schwedischen Hitliste.

Dennoch drohte die "Versorgungslinie Nord" nach internen Streitigkeiten und Verkaufs-Einbrüchen auseinanderzubrechen, woraufhin Hansen im Frühjahr dieses Jahres alle skandinavischen Nazi-Führer an einen Tisch brachte. Das Ziel: Die Zusammenarbeit sollte unter seiner Führung neu geregelt werden. Der "Rudolf-Heß-Marsch" 1998 könnte hier als Auftaktserfolg gewertet werden. Ob Dänemarks liberale Gesetzgebung jedoch die Neonazis weiterhin schützt, ist nach den aktuellen staatlichen Maßnahmen offen. Eine Änderung der Gesetze sei für eine schärfere Verfolgung der Neonazis jedenfalls "nicht vonnöten, sagt Anne Jenssen von der antifaschistischen Gruppe Demos.