Krieg macht pleite

Obwohl die Kämpfe in der Demokratische Republik Kongo anhalten, ist das Land faktisch gespalten. Die Krise verschärft sich nun auch in anderen Staaten der Region

Nichts geht mehr im Kongo. Der zentralafrikanische Staat zerfällt in seine Bestandteile, die von unterschiedlichen Machtgruppen kontrolliert werden. Als deutliches Zeichen dafür muß gewertet werden, daß die Kämpfe zwischen der Anti-Kabila-Allianz (unterstützt von Uganda und Ruanda) und Kabila-treuen Truppen (unterstützt von Angola, Namibia und Zimbabwe) allmählich von Kampfrhetorik abgelöst werden.

Staatschef Laurent Kabila legte zu Beginn vergangener Woche nach dem militärischen Sieg in Kongos Hauptstadt Kinshasa vor: mit einer "Siegeskommuniqué Nummer Eins" genannten Haßtirade gegen Tutsis und andere "Volksfeinde". Die Rebellion im Westen des Landes sei beendet, nun beginne eine Offensive in Richtung Osten, um Tutsis und Ausländer auch von dort zu vertreiben. Gesagt, getan: Truppenverbände setzten sich von Kinshasa aus in Bewegung.

Die bis dahin schnell, häufig, euphorisch und fast immer unberechtigt verbreiteten Siegesmeldungen des Verteidigungsministeriums aber ließen bislang auf sich warten.

Daß die Rebellen-Allianz RCD den Westen des Kongo vorerst aufgegeben hat, wurde von zwei hohen Funktionären des Bündnisses umgehend bestätigt. Militärchef Jean-Pierre Ondekane und Ernest Wamba di Wamba - dessen Rolle mal als politischer Chef und mal als politisch-militärischer Präsident der Bewegung angegeben wird - hielten jedoch bei der Kampfrhetorik dagegen: Ihre Einheiten würden sich nun auf einen Guerillakrieg um die Hauptstadt Kinshasa vorbereiten, "der Jahre dauern" könne, erklärten sie aus ihrem Hauptquartier im östlich gelegenen Goma.

Und doch scheint sich die RCD mit den bisher eroberten Gebieten im Norden, Osten und Zentrum des Landes zufrieden zu geben. Die Spaltung des Kongo wäre die Folge, da auch die angolanischen und zimbabwischen Truppen der Kabila-Allianz bisher kein Interesse gezeigt haben, in den Osten vorzurücken. Jim Woods, früherer Leiter der Afrika-Abteilung des US-Außenministeriums, wurde letzte Woche in südafrikanischen Zeitungen mit den Worten zitiert, die 3 ooo Soldaten zählende Truppe Zimbabwes sei kaum mehr in der Lage, ihren Nachschub zu organisieren.

Die schon seit Monaten latente Finanzkrise Zimbabwes ist mit der Kongo-Intervention zu einer manifesten Staatskrise mutiert: In den vergangenen drei Wochen mußte die Landeswährung, der Zim-Dollar, mehrfach abgewertet werden, zuletzt Ende August um sieben Prozent, die Notenpressen laufen heiß. Anfang September griff die Regierung des Kabila-Freundes Robert Mugabe sogar auf eines der letzten Rettungsmittel zurück: Die Staatsbank wurde angewiesen, an die Devisenreserven zu gehen, berichtete der zimbabwische Independent.

Mit der Schlagzeile "Kongo-Abenteuer verzögert IWF-Unterstützung" hatte die Zeitung bereits einige Tage zuvor auf die Konsequenzen hingewiesen. Die Kosten für die militärische Intervention Zimbabwes werden auf rund 300 000 Dollar (etwa eine halbe Million Mark) täglich geschätzt. Ein für die nächsten Tage - teilweise aus Protest gegen die Truppenentsendung - angekündigter Generalstreik wird die Situation für Mugabe nicht entschärfen.

In Angola sieht es nicht besser aus. Die in den Kongo entsandten Soldaten scheinen in erster Linie mit der Überwachung einer Sicherheitszone an der Grenze nach Angola beauftragt zu sein. So soll verhindert werden, daß Unita-Kämpfer des angolanischen Warlords Jonathan Savimbi in die Kämpfe eingreifen.

Vier Unita-Minister verloren in Angola vergangene Woche ihren Job in der Regierung der nationalen Einheit. Als Grund dafür wurde angegeben, daß die Unita ein 1994 geschlossenes Friedensabkommen mehrfach verletzt habe.

Hinter dieser Aussage könnte jedoch mehr stecken: Nach Informationen des südafrikanischen Instituts für Strategische Studien sollen tausende bewaffnete Unita-Kämpfer in Richtung Kongo unterwegs sein, um dort die Rebellenallianz RCD zu unterstützen. Dafür spricht auch, daß am Wochenende nach Angaben des angolanischen Militäroberkommandos über dem Territorium der südwestlich des Kongo gelegen Regionalmacht ein Transportflugzeug der Regierungstruppen von Unita-Soldaten abgeschossen wurde. Der Krieg droht sich somit aus dem Kongo nach Angola oder an die gemeinsame Grenze beider Länder zu verlagern.

Aber nicht nur dorthin: Mehrere tausend bewaffnete RCD-Kämpfer sollen sich nach Informationen der südafrikanischen Zeitung Business Day aus Kinshasa ins benachbarte Kongo-Brazzaville begeben haben. Dort würden sie sich zur Zeit neu formieren und einen Angriff auf Kinshasa vorbereiten.

Auch im Osten des Kongo mehren sich die Anzeichen für eine Ausweitung des Konflikts: Ruanda drohte erneut mit einer - dann auch offiziellen - Intervention, da unter Kabila auch Soldaten der ehemaligen Hutu-Diktatur Ruandas ausgebildet würden. Zudem müßten die Massaker von Regierungstruppen an Tutsis gestoppt werden. In der ostkongolesischen Stadt Kisangani sollen nach Angaben der Rebellen rund 100 Tutsis erschossen worden sein, bevor die Stadt von den Rebellen eingenommen worden sei.

Auch der nördlich gelegene Sudan mag nicht mehr zurückstehen: Rund 300 dort exilierte islamistische Kongolesen kündigten letzte Woche an, auf der Seite Kabilas eingreifen zu wollen. Ihr Sprecher, Hassan Sebit Tshimpiangia, appellierte an den sudanesischen Staatschef Omar al-Beshir, sich um arabische Unterstüzung für Kabila zu bemühen. Nach einem Bericht der sudanesischen Tageszeitung Rai al-Aam soll auch Kabila Ende August in Khartum um Bündnishilfe gebeten haben, da Soldaten der südsudanesischen Befreiungsarmee SPLA auf Seiten der RCD-Allianz kämpfen würden.

War schon der Krieg im Kongo für die afrikanische Diplomatie nicht zu beenden, so ist es seine Ausweitung erst recht nicht. Nur auf der organisatorischen Ebene konnte letzte Woche ein kleiner Erfolg verzeichnet werden: Die drohende Spaltung der Entwicklungsgemeinschaft Südafrikanischer Staaten (SADC) in Unterstützer und Gegner Kabilas blieb aus. Vorerst.