Scharia geht vor

Pakistans Ministerpräsident Mian Nawaz Sharif bekämpft die Islamisten des Landes mit Islamismus: Eine Verfassungsergänzung soll nach Ankündigung des Premiers die islamische Scharia zur obersten Gesetzesgrundlage erklären. Damit wolle er das "veraltete, kaputte System bei der Wurzel packen". Bisher basiert das pakistanische Recht auf einer Mischung des britischen Kolonial- und islamischen Scharia-Rechts. Sharif und seine Pakistanische Moslem-Liga sehen sich in der letzten Zeit verstärkter Kritik von islamistischen Kräften ausgesetzt. Die beiden größten Islamistengruppen - Dschamaat-i-Islami und Dschamaat-ul-Ulema - haben im August eine Kampagne begonnen, deren erklärtes Ziel der Sturz Sharifs ist: "Wir werden eine Revolution machen", zitiert die Los Angeles Times Hafiz Hussein Ahmad, den stellvertretenden Vorsitzenden der Dschaamat-ul-Ulema.

Bestärkt werden die islamistischen Kräfte durch den Vormarsch der Taliban-Krieger im Nachbarland Afghanistan, in dem auch "Gotteskrieger" aus Pakistan auf Taliban-Seite mitmischen. Zudem nährt die wirtschaftliche Situation des Landes Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung Sharifs. Durch die nach den Atombombentests im Mai (Jungle World, Nr. 23/98) verhängten US-Wirtschaftssanktionen gegen Pakistan wurde die Rupie um etwa 30 Prozent abgewertet, die Lebensmittelpreise stiegen um mehr als ein Viertel. Die Regierung Sharifs sitzt damit in der Patsche: Bemüht sie sich um ein gutes Verhältnis zu Washington, in der Hoffnung, die Sanktionen würden wieder aufgehoben - wie zuletzt bei den Ermittlungen nach den Bombenanschlägen auf US-Botschaften in Ostafrika -, wird ihr Verrat vorgeworfen. Bei Protestmärschen in der Hauptstadt Islamabad hieß es, Sharif sei "ein Sklave der USA".