Kohl muß weg!

Die Abwahl der Union würde die rechtsradikale Lobby empfindlich treffen.
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Das vorweg: Wahlen sind keine demokratische Ermittlung eines Mehrheitswillens, solange ein Großteil der Bevölkerung (die unter 18 Jahren, die Entmündigten und alle ohne deutschen Paß) von ihr ausgeschlossen sind. Selbst von den Wahlberechtigten haben vor vier Jahren mehr Leute nicht Kohl gewählt als ihn gewählt haben. Und klar ist ohnehin: Wenn Wahlen wirklich etwas ändern würden, wären sie verboten.

Auch das vorweg: Mindestens von gleichem Belang wie die Frage, ob es am 27. September in Bonn zu einem Regierungswechsel kommt, ist die Frage, ob es die PDS in den Bundestag schafft. Nicht weil die PDS so eine tolle linke Partei wäre. Aber gelängen SPD und Grüne in Regierungsverantwortung und die PDS bliebe draußen, gäbe es sichtbare Opposition nur noch von rechts. Die Rechte würde geradezu zum Synonym für Opposition und Protest werden. Auch eine Große Koalition wäre eine echte Gefahr: Sie würde, das zeigt die Geschichte, der Apo nützen, die ist aber heute rechts.

Das alles spricht, auch wenn es zunächst so scheint, dennoch nicht gegen einen Regierungswechsel. Im Gegenteil: Ein Ende der CDU/CSU/FDP-Herrschaft ist dringend notwendig. Daß eine rot-grüne Koalition eine bessere, linkere Politik machen würde, ist in der Tat zu bezweifeln, obwohl an einigen Punkten (z.B. Staatsbürgerschaftsrecht, Drogen- und Atompolitik) durchaus mit Fortschritten zu rechnen ist. Daß es auf der anderen Seite - in den Bereichen Innere Sicherheit und Sozial- und Arbeitsmarktpolitik - eher noch schlimmer als unter Kohl werden könnte, soll gar nicht bestritten werden. Kohl muß trotzdem weg! Die Union ist dermaßen nach rechts gewandert, daß es kaum eine Forderung der Nazis gibt, die nicht von CDU/CSU intoniert wurde. Ziel der Union ist ein möglichst deutsches Deutschland. Das heißt: So wenig AusländerInnen wie möglich, und die, die hier sind, sollen sich gefälligst der "deutschen Leitkultur" anpassen, Deutsche zuerst! An dieser Ausländer-raus-Politik arbeiten CDU und CSU seit Jahren. Mehr wollen auch Nazi-Parteien nicht.

Natürlich lassen sich auch bei der SPD ähnlich ausländerfeindliche Aussagen finden. Gerade Schröder hat bewiesen, daß er ebenso ein Rassist ist wie Kohl. Und nicht vergessen wird, daß auch die SPD der Abschaffung des Asylrechts zustimmte. Aber es gibt einen Unterschied: CDU/CSU sind nicht nur ideologisch, sondern auch personell und strukturell immer mehr mit dem Rechtsextremismus verwoben. Daß der ehemalige NS-Marinerichter und Ministerpräsident Hans Filbinger noch immer Ehrenmitglied der baden-württembergischen CDU ist, ist ein Ausdruck davon. In seinem Studienzentrum Weikersheim geben sich Nazis und Konservative die Klinke in die Hand. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer arbeitet im Wahlkampf ganz offen mit den rechtsextremen Deutschen Konservativen ("Freiheit für Rudolf Heß!") zusammen. Innensenator Schönbohm täuscht Bezirksbürgermeister, damit die NPD ungestört marschieren kann.

Innenminister Kanther umschrieb seine politischen Vorstellungen einmal so: "Die CDU muß eine Politik machen, zu der die Wähler der Republikaner ja sagen können." Ulla Jelpke, für die PDS im Bundestag, kommentierte Kanthers Nominierung zum Innenminister als "den größten Erfolg, den der Neofaschismus in den letzten Jahren erzielen konnte". Kanther holte sich die entsprechenden Staatssekretäre: den harten Kern der Vertriebenen-Lobby. Kein Wunder, daß die Scheinchen in den Taschen der Verbände des organisierten Revanchismus ordentlich rascheln. Alfred Schickel erhielt das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement gegen "Unkenntnis, Vorurteil und Desinformation". Er hatte in rechten Blättern über das "ungeklärte Ausmaß der jüdischen Opfer" spekuliert und dabei die Zahl der Holocaust-Opfer erheblich nach unten gedrückt. Auch Kohl bekam eine Auszeichnung: Nämlich den Adenauer-Preis der Deutschland-Stiftung. Deren damaliger Geschäftsführer Kurt Ziesel, ein Freund Helmut Kohls, beschwerte sich in den letzten Jahren über die "wenig christliche" Behandlung der Republikaner und hetzte 1944 als Schriftleiter des Völkischen Beobachters gegen die Hitler-Attentäter ("Jeder, der sich wider den Geist des Krieges versündigt, muß vernichtet werden").

Die Aufzählung der schwarz-braunen Schnittmengen ließe sich lange fortsetzen. Dazu kommt: Politik wird nicht nur im Parlament gemacht, sondern auch in den Institutionen, den Bundesämtern, -zentralen und -stellen. Die CDU/CSU hat in den letzten 15 Jahren sehr viel Zeit gehabt, dort überall ihre Leute unterzubringen. DVU, Reps und NPD stören die CDU lediglich als Konkurrenz auf dem Wählerstimmenmarkt. Die rechte Stimmung, die sich mit ihnen in der Gesellschaft immer hegemonialer durchsetzt, und dessen Kinder sie selbst sind, nützt der CDU nur, da sie genau auf dieser rechten Welle ihre Politik durchsetzen kann.

Noch mal vier Jahre CDU/CSU-Regierung würden bei Kohl, Schäuble und Co. noch mehr Hemmungen fallen lassen. Die Rechtsextremisten haben sich bei der Suche nach einer Lobby an die Union gehalten. SPD und Grüne sind personell noch wenig mit dem Rechtsextremismus verstrickt. Ein Regierungswechsel wäre wichtig, selbst wenn er keinen direkten Politik-, sondern zunächst nur einen Personalwechsel brächte.