Keine Handgranaten für Martyr Halimeh

Im Prozeß gegen Monika Haas wegen Waffenschmuggels für die "Landshut"-Entführer werden im Herbst die Plädoyers gehalten

Die Anklagepunkte sind nicht gerade von Pappe. Erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme, Angriff auf den Luftverkehr und Beihilfe zum Mord wirft die Bundesanwaltschaft (BAW) Monika Haas vor. Schon seit Januar 1996 wird deshalb gegen die zwangsbeurlaubte Frauenbeauftragte der Frankfurter Universitätsklinik vor dem Oberlandesgericht der Rhein-Main-Metropole verhandelt.

Nun ist endlich ein Ende des Verfahrens in Sicht: Wenn die Prozeßbeteiligten im September aus der Sommerpause zurückkehren, werden Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers halten. Spätestens Anfang Oktober ist mit dem Urteil gegen die 50jährige Mutter von zwei Kindern zu rechnen.

Monika Haas soll im Oktober 1977 die Waffen besorgt haben, mit der das palästinensische Kommando "Martyr Halimeh" die Lufthansa-Maschine "Landshut" und damit 87 Personen in ihre Gewalt brachte, um RAF-Gefangene sowie in der Türkei inhaftierte Palästinenser freizupressen. Doch während die BAW von einer direkten Beteiligung der Beschuldigten ausgeht, wollten die Frankfurter Richter dieser Vorgabe nicht folgen. Haas wird nun vorgeworfen, die Waffen zwar an Bord geschmuggelt, den Tatplan jedoch nicht gekannt zu haben. Die ihr vorgeworfene Beteiligung wurde folgerichtig in Beihilfe umgewandelt. Allein deshalb konnte sie nach zweieinhalb Jahren im März 1997 die Untersuchungshaft verlassen.

Ihr Engagement in den siebziger Jahren wertet die Frankfurterin freilich anders als die Strafverfolger: "Meine Rolle (Ö) ist hochgespielt worden. Ich war nie in der RAF und nicht Mitglied der Volksfront für die Befreiung Palästinas." In Mallorca sei sie nie gewesen. Die Darstellung der Beschuldigten wurde im November 1995 auch von sechs RAF-Gefangenen bestätigt, die sich mit einer Erklärung über "Monikas Geschichte" zu Wort meldeten. Demnach hat sie sich Mitte der siebziger Jahre "aus jedem aktiven Zusammenhang zurückgezogen".

Trotz dieser RAF-Absolution wurde Haas nach ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Anfang der achtziger Jahre mit den verschiedensten Geheimdiensten in Verbindung gebracht. Anfang der neunziger Jahren geriet die 50jährige zunehmend ins publizistische Fadenkreuz. Den Anfang machten die Autoren Michael Müller und Andreas Kanonenberg. In ihrem bei Rowohlt erschienenen Buch "RAF-Stasi-Connection" berichteten sie über die in der Gauck-Behörde aufgetauchte Stasi-Akte "Wolf". Dort werde "die schöne Frau", sprich Monika Haas, als Drahtzieherin diverser Geheimdienst- und Terroraktionen erwähnt. Ein Spiegel-Journalist wollte gleich gewußt haben, daß Haas "jahrelang inmitten des komplizierten Beziehungsgeflecht von RAF, Palästinensern und Stasi" gelebt habe. Gegen diese Behauptungen klagte Haas: Der Rowohlt-Verlag mußte sämtliche die Frankfurterin betreffenden Äußerungen im Buch schwärzen. Der Spiegel wurde zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 80 000 Mark verurteilt. Das Urteil wurde jedoch in zweiter Instanz aufgehoben.

Für die Anklage mußten sich die Strafverfolger nicht mit der Stasi-Akte "Wolf" begnügen. Mit der Palästinenserin Soraya Andrawes war im Jahre 1995 die einzige Überlebende des Kommandos "Martyr Halimeh" in Norwegen festgenommen, nach Deutschland ausgeliefert und zur Kronzeugin gegen Monika Haas aufgebaut worden. Zwar hatte Andrawes bei ersten Vernehmungen keine Erinnerung an eine Waffenübergabe, nach längerem Drängen eigens nach Oslo gereister deutscher Beamter funktioniert das Gedächtnis jedoch offensichtlich besser. Nach Angaben der Palästinenserin sollte Haas am 8. Oktober 1977 in einem Kinderwagen und in Bonbondosen sechs Handgranaten, zwei Pistolen und ein Kilogramm Sprengstoff in ein Hotel auf Mallorca gebracht haben. Monika Haas, die nach diesen Aussagen verhaftet wurde, verwarf die Schilderungen in einem Offenen Brief an Andrawes: "Sie hoffen auf ein mildes Urteil beziehungsweise den Verzicht der deutschen Behörden auf eine Auslieferung mit Hilfe der Kronzeugenregelung, erkauft mit einer Lüge, die Ihre Existenz retten jedoch meine gleichzeitig zerstören soll. Sie wissen nur zu gut, daß Sie mich nicht in Mallorca getroffen haben." Nach ihrer Auslieferung machte Andrawes zu diesem Punkt keine Angaben mehr und widerrief die belastenden Aussagen in ihrem eigenen Prozeß im November 1996. Obwohl die Frankfurter Richter diese Äußerung als "unerhebliches Detail" einstuften, büßte die Kronzeugin in der Öffentlichkeit erheblich an Glaubwürdigkeit ein. Schon zwei Tage nach dem Richterspruch gegen Andrawes brachte die BAW einen neuen Kronzeugen an, den libanesischen Hijacker Said Ali Slim. Doch auch er sollte den Anklagevertretern kein Glück bringen. So belastete er Monika Haas zwar bei Verhören, gab aber widersprüchliche Aussagen über seine Beteiligung an den Vorbereitungen zur Landshut-Entführung zu Protokoll.

1995 sollte mit Monzer Al Kassar ein weiterer Zeuge in spanischer Haft von BKA-Beamten zum Reden gebracht werden. Er sei der Mann gewesen, so wollten die Wiesbadener Fahnder hören, der gemeinsam mit Haas die Waffen nach Mallorca geschmuggelt habe. Der Versuch scheiterte, weil Al Kassars ein wasserdichtes Alibi hatte: Der Palästinenser saß im Herbst 1977 in Großbritannien in Untersuchungshaft.

In ihrer Prozeßerklärung vom März dieses Jahres faßt Haas zusammen, was sie selbst recherchiert hatte: "Das BKA lenkte den Verdacht bewußt auf mich. Ich wurde faktisch als Schutzschild für ihren Agenten mißbraucht." Geschützt werden sollte demnach ein Spitzel in Palästinenserkreisen, der nicht nur für die Verhaftung von ETA-Mitgliedern, sondern auch für die Aufdeckung einer konspirativen Wohnung in Paris 1980 verantwortlich sein soll. Damals waren in der französischen Hauptstadt fünf Mitglieder der RAF und der Bewegung 2. Juni verhaftet worden. Haas vermutet, daß dieser Palästinenser jene "anonyme Quelle" ist, auf die sich die BAW auch in der Anklage gegen sie stützt. Denn mehr als dieser ungenannte Informant ist den Bundesanwälten nach den demontierten KronzeugInnen nicht geblieben. Daß die Stasi-Akten wenig beweistauglich sind, hatte der Bundesgerichtshof bereits 1992 entschieden und damit dafür gesorgt, daß der erste Haftbefehl gegen Haas aufgehoben wurde.

Die Angeklagte macht sich keine Illusionen: "Die Bundesanwaltschaft gibt sich völlig unbeirrt und ignoriert die Tatsache, daß sämtliche Konstrukte, die sie in diesem Verfahren aufgebaut hat, widerlegt und ad absurdum geführt worden sind. Auch der Senat gibt unverhohlen zu erkennen, daß er eine Verurteilung anstrebt." Selbst eine Bewährungsstrafe hätte für Monika Haas gravierende Folgen. Bereits nach der Anklageerhebung war ihr vom Arbeitgeber, dem rot-grün regierten Land Hessen, fristlos gekündigt worden. Über eine Klage in zweiter Instanz gegen diese Entscheidung will der zuständige Richter des Landesarbeitsgerichts erst nach Prozeßende entscheiden. Sollte sie also verurteilt werden, muß die 50jährige definitiv mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes rechnen. Zudem müßte sie für die Gerichtskosten aufkommen, die sich mittlerweile in Millionenhöhe bewegen.