American Way of Life im ungarischen Kaposvár

Stadt der Sieger

Colonel Daniels kommt aus Philadelphia, liebt die US-amerikanische Westküste und verbringt seit sieben Monaten seine Zeit im ungarischen Kaposv‡r. Auf die Frage, wie sich Kaposv‡r seit der Ankunft der US-amerikanischen Truppen im Dezember 1995 verändert habe, antwortet er nur ganz banal: "Ich habe bemerkt, daß die Stadt im Frühling und Sommer wesentlich bunter ist; wahrscheinlich, weil im Frühling und Sommer mehr Bäume blühen." Über die wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Errichtung der Sfor-Basis in der Region weiß Daniels hingegen nicht so viel. Dafür sei er nicht der richtige Mann, schließlich gibt es einen "Vertragsoffizier", der nur dafür zuständig ist, Vereinbarungen mit ungarischen Lieferanten der Basis zu schließen. Über 24 Millionen Mark gab die Basis alleine im ersten Quartal dieses Jahres aus, um genügend Benzin für die Flugzeuge und die Army-Schlitten zu kaufen, Gebäude zu mieten, zu telefonieren und Verpflegung für die etwa 1 500 Soldaten zu besorgen

Etwa 100 Kilometer von der kroatischen Grenze bei Varazdin entfernt, entspricht das Stadtbild des 70 000 Einwohner zählenden Kaposv‡r typisch östlicher Architektur: Zwischen ausdruckslosen Wohnsilos verstecken sich wenige übriggebliebene Gründerzeitbauten. Nur hin und wieder erstrahlt innovative Bausubstanz in neuem Glanz. Die Kneipen in der Innenstadt sind ebenso leergefegt wie die Fußgängerzone. Hier gibt es seit kurzem einen Harley-Davidson-Shop. Die Ungarn drücken sich die Nase an den Scheiben platt, die Amerikaner kaufen ein

Schließlich zog mit den US-Soldaten auch ein bißchen American Way of Life in die Hauptstadt der Region Somogy ein. Die Umsätze schnellen in die Höhe, die Einkommen der Leute auch. Seit 1995 stiegen sie im Durchschnitt um 30 Prozent. Bemerkenswert. Oder auch nicht. Denn erst jetzt hat das früher bitterarme Kaposv‡r ungarisches Einkommensniveau erreicht, auch die gesunkene Arbeitslosigkeit sich auf dem ungarischen Durchschnittsniveau von elf Prozent eingependelt

In gleichem Maße stiegen allerdings auch die Preise an. Die Wohnungen in dem einst völlig unbedeutenden Ort sind in den letzten drei Jahren um bis zu 100 Prozent teurer geworden - Kaposv‡r ist ein ähnlich teures Pflaster wie Budapest. Istvan Molnar, Chef der Abteilung für Regionalentwicklung, vergleicht die Immobilienpreise gar mit westlichen Städten: "Unlängst war ich in Wien und war erstaunt darüber, daß das Leben bei uns genauso teuer ist." Als im Jahre 1995 ruchbar wurde, daß die Amerikaner von hier aus zu ihren militärischen Operationen im ehemaligen Jugoslawien starten würden, setzte die große Hausse ein

Und die Einwohner der Stadt danken es den US-Soldaten mit UN-Mandat. Als sie im vergangenen Oktober per Referendum über den ungarischen Beitritt zur Nato abstimmten, gaben sich die Kaposv‡rer als Musterschüler: Über 90 Prozent der Bevölkerung stimmten für den Nato-Beitritt, in ganz Ungarn waren es 86 Prozent

Auf der Gewinnerseite steht das horizontale Gewerbe von Kaposv‡r. Der Strich wurde kurzerhand in die Nähe der Basis verlegt. 33 US-amerikanische Soldaten haben außerdem in der Stadt ihre Frau fürs Leben gefunden und geheiratet, ein Dutzend Babies sind bisher aus diesen Verbindungen hervorgegangen. Das Standesamt von Kaposv‡r führt die Formulare für die Geburtsurkunden bereits auf Ungarisch und Englisch