Südkoreas Gewerkschaften streiken und verhandeln

Krise und Diktatur

Südkoreas linker Gewerkschaftsdachverband KCTU konferiert mittlerweile in der Myongdong Kathedrale in Seoul. Den katholischen Zufluchtsort hat die Gewerkschaftsspitze aus Angst vor Verhaftungen gewählt

Unter Berufung auf das Gesetz zur Nationalen Sicherheit hatte die Polizei am Mittwoch vergangener Woche 25 Gewerkschaftsaktive verhaftet - in Seoul und den im Südosten des Landes gelegenen Städten Ulsan und Pusan. Vorgeworfen wird den Verhafteten die Beteiligung an "feindlichen Aktivitäten" und Mitgliedschaft in einer "den Feind unterstützenden Organisation". Belegt wird dies durch den Aufruf zu "illegalen" Streiks. Insgesamt würden mehr als 100 Gewerkschafter polizeilich gesucht, teilte die KCTU in einem Kommuniqué mit, "und diese Zahl steigt jeden Tag"

Dabei ist der KCTU-Kurs nicht besonders konfrontativ. Trotz mehrmaliger gegenteiliger Ankündigungen beteiligt sie sich sogar an den Verhandlungen mit der Regierung. Zugunsten weiterer Gespräche setzte die in der Myongdong-Kathedrale tagende KCTU-Führung einen für den vergangenen Donnerstag angekündigten Generalstreik noch am selben Morgen aus. Einen Tag zuvor hatten der KCTU-Vorsitzende Lee Kap-yong sowie Park In-sang, die Nummer eins des offiziellen Gewerkschaftsverbandes FKTU, sich mit einem Regierungsvertreter in acht verschiedenen Punkten geeinigt. Demnach sollen staatliche Kompensationen für die Entlassenen von fünf auf Regierungsweisung geschlossenen Banken und 55 weitere Unternehmen gezahlt, Maßnahmen gegen schlechte Arbeitsbedingungen ergriffen und spezielle Hilfen für - in Südkorea bisher unbekannte - Halbtagsbeschäftigte eingeführt werden. Vereinbart wurde in dem Papier außerdem eine Neuauflage der von den Gewerkschaften zuletzt abgelehnten trilateralen Verhandlungen mit Regierung und Unternehmern und daß Präsident Kim Dae Jung "empfohlen" werden solle, "juristische Aktionen gegen Gewerkschafter gering zu halten"

Der seit Februar amtierende Kim, der wegen seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Oppositionspolitiker "der ewige Dissident" genannt wurde, galt eigentlich als gewerkschaftsnah. Seine Regierung stünde, so urteilt die KCTU, "im Dienste der Interessen ausländischen Kapitals und der Chaebols, die versuchen, Gewerkschaften und demokratische Rechte zu zerstören und die Bevölkerung in die Armut abzudrängen". Kim regiere wie die einstigen Militärherrscher mit diktatorischer Hand und bediene sich derselben repressiven Methoden wie seine Vorgänger

Die KCTU ruft deshalb zu Protestbriefen an das Blaue Haus, den Amtssitz des Präsidenten, auf. Prinzipiell hält sich die Gewerkschaft auch den Generalstreik als Kampfmittel offen, sollte über die Umstrukturierung des öffentlichen Sektors und entsprechende Massenentlassungen keine Einigung erzielt werden. Die Autoproduktion des Hyundai-Konzerns wurde jedenfalls in der vergangenen Woche weiterhin bestreikt

Als Exportindustrie ist der Autobau wichtiger Devisenbringer für das so hoch verschuldete Land. Das Ministerium für Handel, Industrie und Energie meldete für das erste Halbjahr 1998 einen Handelsüberschuß von umgerechnet knapp 36 Milliarden Mark. Im Vorjahr wurden 16,4 Milliarden Mark mehr für Importe ausgegeben als für Exporte eingenommen. Angesichts der Wirtschaftskrise sind die Einfuhren allerdings um mehr als ein Drittel zurückgegangen - die Abwertung des Won und die soziale Situation machen Güter aus dem Ausland so gut wie unbezahlbar