Keine Heirat ohne Kontrolle

Am 1. Juli wird das neue "Eheschließungsrecht" in Kraft treten. Standesbeamte dürfen binationalen Paaren den Trauschein verweigern

"Wer hat das Brautkleid gekauft?" Oder: "Welche Zahnpaste benutzt denn Ihr Partner?" Schon heute sind deutsche Beamte wenig zurückhaltend, wenn es gilt, sogenannten Scheinehen auf die Spur zu kommen. Vor allem bei den Ausländerbehörden zeigte man sich sehr aktiv im Aufspüren dieser Gemeinschaften.

Daß gerade die Ausländerpolizei mal eben Nachbarn, Familienangehörige oder Arbeitgeber über die Privatsphäre anderer Menschen befragt, hat einen einfachen Grund: Der Begriff der Scheinehe existiert praktisch nur im Zusammenhang binationaler oder ausländischer Paare. Wer einen nigerianischen Mann oder eine kurdische Frau heiratet, so die scheinbar naheliegende Folgerung, will dem Partner beziehungsweise der Partnerin lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung besorgen. Diesen ehelichen Verbindungen, die tatsächlich zahlreichen Flüchtlingen angesichts zunehmend verschärfter Asylgesetzgebung den einzig möglichen Schutz vor Abschiebung bieten, soll der Garaus gemacht werden.

Dabei bekommen nicht nur die Schein-Partnerschaften die Auswirkungen des Kampfes gegen unerwünschte Einwanderung zu spüren, sondern alle rund 50 000 binationalen Paare, die sich jährlich zur Heirat entscheiden: Ehen müssen auf kompliziertem Weg im Herkunftsland des Gatten geschlossen, Familienzusammenführung beantragt und durchgesetzt, schwer zugängliche Papiere aus dem Heimatland besorgt oder intimste Fragen über die Lebenspartnerin gegenüber Beamten der Ausländerbehörden und Botschaften beantwortet werden.

Nicht genug, meinen die Gesetzgeber und setzen die Hürden für binationale Ehen jetzt noch höher. Bereits Anfang Februar dieses Jahres stimmte der Bundesrat dem "Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechtes" zu, von kommender Woche an wird die Regelung in Kraft treten. Ab dem 1. Juli sollen demnach die Kompetenzen von Standesbeamten erheblich erweitert werden. Diese müssen dann, so heißt es im entsprechenden Paragraph 1 310 zur Eheschließung, die "Mitwirkung verweigern, wenn offenkundig ist, daß die Ehe nach Paragraph 1 314 Absatz 2 aufhebbar wäre". Soll heißen: Wenn die Partner keine "eheliche Lebensgemeinschaft" eingehen oder keine Verantwortung füreinander tragen wollen, dürfen die Beamten ihre Kundschaft erst gar nicht trauen. Ob dem so ist, darüber haben die Standesbeamten nach eigenem Ermessen zu befinden.

Genaue Kriterien zur Entscheidungsfindung haben sie zwar nicht, eine grobe Handlungsanweisung aber legte der Rat der Europäischen Union bereits im vergangenen November vor: In einer damals verabschiedeten Resolution über "Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen" heißt es, diese sei gegeben, wenn mit der ehelichen Verbindung "allein der Zweck verfolgt wird, die Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Angehörigen dritter Staaten zu umgehen und dem Drittstaatenangehörigen eine Aufenthaltsgenehmigung oder -erlaubnis in einem Mitgliedsstaat zu verschaffen". Die in der Empfehlung nahegelegten Konsequenzen: Man verlasse sich auf Erkenntnisse, die über Erklärungen der Betroffenen sowie Dritter, über Schriftstücke und aus Ermittlungen gewonnen werden können. Grünes Licht also für Schnüffeleien aller Art.

Standesbeamte sollen nun beispielsweise versuchen, Differenzen in den Schilderungen der getrennt verhörten Ehepartner zu entdecken. Sollte sich herausstellen, daß etwa der Mann meint, seine Liebste in der ersten Samstagnacht im April in einer Kneipe kennengelernt, sie aber davon überzeugt ist, ihn erst am Mittwoch bei Freunden darauf getroffen zu haben, ist die Scheinehe entlarvt. Und schon muß sich der Beamte weigern, den ehelichen Segen zu geben.

Doch auch noch nach der Heirat kann es den Eheleuten an den Kragen gehen. Denn künftig dürfen nicht mehr nur die Gatten selbst, sondern auch die zuständigen Verwaltungsbehörden eine eheliche Gemeinschaft aufheben. Durch diese grobe Einmischung in die durch Artikel 6 Grundgesetz geschützten Bereiche von Ehe und Familie würde, so Cornelia Spohn, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften (iaf), "das kollektive Mißtrauen gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe festgeschrieben". Zudem trage sie "zur wachsenden Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft bei".

Coletta Manemann vom nordrhein-westfälischen iaf-Landesverband ergänzt gegenüber Jungle World: "Während deutsch-deutsche Paare sich heutzutage freuen können, daß nicht-eheliches Zusammenleben akzeptiert und allgemein anerkannt ist, wird es für binationale Paare immer schwerer". Ohnehin müßten sich Partner und Partnerin in diesen Beziehungen häufig unfreiwillig zur Heirat entscheiden, um überhaupt zusammenbleiben zu können. Denn ohne Trauschein gibt es keine Aufenthaltserlaubnis. Vor allem "die Einwanderung von Männern soll eingeschränkt werden", meint Coletta Manemann. Geschlechtsspezifisch diskriminiert seien insbesondere deutsche Frauen, die mit Schwarzen zusammen seien, ob mit oder ohne Heiratsabsichten.

Skrupel hatten deutsche Bürokraten bisher wenig, wenn es galt, binationale Ehen einzuschränken und zu kriminalisieren. So ließ der Dresdner Oberstaatsanwalt Helmut Renz 1995 gegen mindestens zwanzig solcher Partnerschaften ermitteln. Einige Personen wurden wegen Vergehen gegen das Ausländergesetz und mittelbare Falschbeurkundung zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt. Auch Maßregelungen von Standesbeamten sind nicht neu: Im Dezember 1993 forderte das Landratsamt Leipzig per Rundschreiben die Standesämter auf, bei einem Aufgebot mit Ausländern "generell die Ausländerbehörde zu informieren". Bei "Verdacht auf Scheinehe" solle die Aufgebotsniederschrift eingeholt und das Paar "etwa eine Woche später wiederbestellt" werden. Bei diesem Termin sollten die Ehepartner in spe "zunächst mündlich die Ablehnung des Aufgebots" erhalten. Und weiter: "Nur wenn das Paar darauf besteht, muß die Ablehnung schriftlich mit Rechtsbehelfserklärung erfolgen."

Ähnlich war man in diesem Jahr auch in Bayern in Vorwegnahme der neuen gesetzlichen Bestimmungen vorgegangen. Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Roland Schmid wagte sich im Februar gleich noch einen Schritt weiter vor: Nach dem Willen des Unionspolitikers sollte Flüchtlingen künftig verboten werden, während der Dauer ihres Asylverfahrens überhaupt zu heiraten. Dem aber wollte man - bislang - selbst in den eigenen Reihen nicht folgen.