Eine Wende für Ostpreußen

Die Junge Landsmannschaft Ostpreußen debattiert über eine politische Öffnung - und weist damit den "Vertriebenenverbänden" den Weg in die Zukunft

Die Junge Landsmannschaft Ostpreussen (JLO) hat in der Mai-Ausgabe ihrer unregelmäßig erscheinenden Mitgliederzeitung Fritz die Debatte um eine Öffnung der Organisation an die "Basisgruppen" weitergegeben: Nach einem Beschluß der JLO-Bundesversammlung sollen die Mitglieder über die Zukunft des Jugendverbandes der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) entscheiden.

Die "beiden maßgeblichen Marschrouten", so der ehemalige JLO-Vorsitzende Bernhard Knapstein, ließen sich unter "Aufbau einer Deutschland-Jugend - für ein Deutschland mit Ostpreußen" und unter "Nutzung der Kernkompetenz - von Ostpreußen aus für Deutschland" subsumieren.

Die erste Variante geht von der Analyse aus, daß die "Bedeutungslosigkeit auch der Ostpreußen", also derer, die tatsächlich noch von den Alliierten umgesiedelt wurden, deutlich wird. Somit sei nur über die "Änderung der allgemeinpolitischen Lage" auch "eine Wende für Ostpreußen zu erreichen". Die Konsequenz: "Ein deutsches Ostpreußen könne es nur geben, wenn ein deutsches Deutschland fortbestehe." Und um dieses zu fundieren, müsse die JLO das "allgemeinpolitische Mandat, also das Recht zur Mitsprache in allen Fragen", erstreben. Für den Fall, daß diese Variante sich durchsetzen sollte, stünde auch eine Namensänderung in "Deutschland-Jugend / JLO" an.

Die zweite diskutierte Variante geht von der Prämisse aus, "daß keine Organisation das Thema Ostpreußen besser belegen kann als die JLO". In "allgemeinpolitischen Aktivitäten" wird die Gefahr gesehen, daß der "landsmannschaftliche Segen" sowie die damit verbundenen Gelder verloren gehen könnten. Die LO biete zudem "bisher den Schutz vor den Angriffen der linksliberalen und internationalistischen Parteien und Gruppierungen".

Ein Abweichen von der strikt an "Ostpreußen" orientierten Arbeit könne außerdem zu Massenaustritten - die JLO zählt nach Eigenangaben derzeit etwa 1 200 Mitglieder, mit steigender Tendenz - führen. Deshalb sei es erforderlich, das "Schützengrabensystem der Arbeitskreise" auszubauen. Zudem sei eine "Beteiligung an der Deutschlandbewegung" bereits vorhanden und könne erweitert werden, "ohne den Schützengraben der Kernkompetenz Ostpreußen zu verlassen".

Besonders neu sind jedoch beide Modelle nicht. Anhand des Organs der Landsmannschaft Ostpreußen, dem Ostpreußenblatt ist bereits detailliert nachzuvollziehen, wie sich ein allgemeinpolitisches Mandat mit der "Kernkompetenz Ostpreußen" vereinbaren läßt. Neben den für das aussterbende Klientel der Aktivumgesiedelten - im LO / JLO-Jargon "Erlebnisgeneration" genannt - bestimmten Berichten aus den "Heimatkreisen", über die "landsmannschaftliche Arbeit" und den Such- und Todesanzeigen, greift das Ostpreußenblatt tagespolitische Geschehnisse auf und initiiert für die extreme Rechte wichtige Strategiedebatten. Außerdem ist klar, daß die angebliche Vertreibung eines der zentralen Themen des gesamten rechten Spektrums ist - stets verbunden mit Fragen nach Volkstum, Nation, Kultur, Geschichte und Sprache.

"Einsatz für die deutsche Volksgruppe in der Heimat, intensives Fahrtenleben und Mut zum politischen Bekenntnis zu Deutschland" wird dieses Konzept in einem aktuellen JLO-Papier übersetzt. René Nehring, seit November 1997 Bundesvorsitzender der Organisation, hat den Umgang mit den beiden Strategiemodellen in einem internen Rundschreiben Anfang des Jahres auf den Punkt gebracht: "Sowohl Deutschland als Ganzes, als auch Ostpreußen als Teil dieses Ganzen sind Erbe und damit Auftrag aller Deutschen. Kein deutscher Stamm und keine gesellschaftliche Gruppierung hat das Recht, sich aus dieser Verantwortung zu stehlen. Die JLO muß daher im Gegenzug auch für alle politischen und landsmannschaftlichen Strömungen gesprächsbereit bleiben." Der 22jährige weiß, wovon er spricht: 1996/97 studierte der Berliner zwei Semester an der Staatlichen Universität Kaliningrad und ist somit mit dem Terrain vertraut. Sein zweites Standbein: Er war erster Stipendiat der Deutschen Burschenschaft (DB) in Kaliningrad und ist in der Burschenschaft Gothia Berlin aktiv.

Diese Aktivitäten sind in der JLO beileibe kein Einzelfall - vielmehr ist es charakterisierend, daß das Interesse an den ehemaligen deutschen Ostgebieten das prägende Moment für das Engagement inner- und außerhalb des Verbandes ist und nicht irgendeine "Vertreibung". Beispielsweise war Nehrings Amtsvorgänger Bernhard Knapstein als Politischer Referent der Kölner Burschenschaft Germania tätig, in deren Haus die JLO 1994 auch die Tagung "Der Deutsche Osten - Perspektiven im neuen Jahrtausend" durchgeführt hatte.

Die JLO bleibt auch für die "Deutschland-Bewegung" von Alfred Mechtersheimer attraktiv. Bei der letzten JLO-Bundesversammlung referierte der Starnberger "Friedensforscher" und traf dabei laut JLO den "Nerv der Delegierten": Das Ziel einer in der "Basis verwurzelten Deutschland-Bewegung" müsse es sein, das "Nationale" in den Mittelpunkt zu rücken. Und das will auch die JLO: Wie hatte es der erste JLO-Vorsitzende Rüdiger Stolle bei der Gründung des Jugendverbandes Anfang 1991 - die seinerzeit ebenfalls in Würzburg stattfand - ausgedrückt? "Nicht als Zeichen nationaler Überheblichkeit, sondern als Bekenntnis zu unserer Geschichte" - Stolle begründete seinerzeit mit diesem Satz, warum die Versammlung der JLO alle Strophen des "Deutschlandliedes" gesungen hatte.