What the Fuck Is K 4?

Aus Nürnbergs legendärem Jugendzentrum "Komm" ist die Kulturstätte "K 4" geworden

"K 14" ist die Kurzbezeichnung des politischen Kommissariats der Nürnberger Polizei, "K 44" nennt sich deren neugegründete Abteilung für das Ausspähen sogenannter Scheinehen; und "K 4" heißt neuerdings jenes legendäre Gebäude in der Innenstadt, das als "Komm" 23 Jahre lang bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat.

K 4 klinge schon "etwas bullenmäßig", gibt Peter Hess, der Stellvertretende Leiter des Hauses, zu. Ihm wäre es lieber, wenn man doch wieder Komm sagen würde. Dagegen wehrt sich Georg Meder mit Vehemenz: "Das Komm ist gestorben, die jetzige Einrichtung hat nichts mehr mit dem Komm zu tun." Meder war einer der Sprecher der linken und autonomen Gruppen, die in der Vergangenheit die Mehrheit in dem Haus gestellt hatten.

Das 1910 als "Künstlerhaus" im Jugendstil errichtete Gebäude sollte 1969 schon abgerissen werden. Doch die Zeit war nicht danach: Denkmalschützer verhinderten den Abriß, progressive Kulturpolitiker und eine damals rege Bewegung für selbstbestimmte Jugendzentren setzten sich dafür ein, das in der Nazi-Zeit als SA-Heim genutzte Gebäude im Zentrum der historischen Altstadt für Jugendprojekte zu öffnen.

1973 öffnete das Komm seine Pforten. Nürnbergs damaliger Kulturreferent Hermann Glaser hatte es als Modellprojekt konzipiert, das Soziokultur und Kunst, politisches Engagement und die Integration sozialer Randgruppen zusammenbringen sollte. Als wichtiger Bestandteil gehörte dazu die Selbstverwaltung, die oft nervtötende Mammutdebatten mit sich brachte, aber auch produktive Auseinandersetzungen zwischen den zahlreichen Gruppen und Einzelpersonen, die sich an dem Projekt beteiligten. Zu überregionaler Bekanntheit brachte es das Komm 1981 nach einer Massenverhaftung: Wegen eines geringfügigen Glasschadens umstellte die Polizei das Haus und nahm alle 141 Besucherinnen und Besucher fest. Als 1987 die Bundeskonferenz der AKW-Gegner im Komm stattfand, verhinderte nur die Verbarrikadierung der Eingänge, daß sich diese Vorgänge wiederholten.

Der CSU war das Komm selbstredend jahrzehntelang ein Dorn im Auge. 1996 konzentrierte sie ihren Wahlkampf auf das Thema "Schandfleck Komm". Tatkräftig unterstützt wurde sie von der Nürnberger Polizei, die immer wieder Auseinandersetzungen provozierte und inszenierte. Wie das geht, demonstrierte sie im Sommer 1996. An einem sonnigen Tag saßen 30 friedliche Punks im Burggraben. Einsatzkräfte der Polizei tauchten auf und drängten sie ohne ersichtlichen Anlaß zum Komm. Dort wurden die Punks gezwungen, herumliegende Flaschen aufzusammeln. Anschließend wurden sie festgenommen. Begründung: Durch das Aufsammeln der Flaschen hätten sie erkennbar Gewalttaten vorbereitet. Die CSU freute sich über die Bereicherung des Wahlkampfes: Wieder einmal sei vom Komm Gewalt ausgegangen.

Nachdem die Komm-Zeitung kurz zuvor noch frech gefragt hatte: "Who the fuck is Scholz?" gewann die CSU im März überraschenderweise die Kommunalwahlen. Wer Ludwig Scholz war, das merkten die Komm-Leute sehr schnell: Nürnbergs neuer CSU-Oberbürgermeister, der nun ankündigte, das Komm zu schleifen.

Der angedrohte Frontalangriff auf das Sandsteingebäude an der Burgmauer mobilisierte ein breites Bündnis von Autonomen bis zu Grünen und der SPD. Hermann Glaser, der mittlerweile pensionierte "Vater des Komm", mischte sich kampfesmutig ein und wetterte gegen den "infamen Populismus der CSU". Deren Absicht, die Selbstverwaltung abzuschaffen, war für Glaser "ein Angriff auf das Herz des Kommunikationszentrums. Das Modell funktioniert. Es gibt immer viel fruchtbaren Streit oder, um es vornehmer auszudrücken, Dialektik."

Ein Bürgerbegehren sollte das Komm in seiner ursprünglichen Form bewahren. Im Nu waren 18 000 Unterschriften gesammelt, weit mehr als benötigt. Viele Menschen sahen darin auch die Chance, der CSU deftig eine vor den Latz zu knallen. In privaten Gesprächen gab CSU-Fraktionschef Clemens Gsell zu, ihm graue vor einem Bürgerentscheid zum Thema Komm. Deshalb verhandelte Gsell im Frühsommer 1996 auch mit Komm-Vertretern - ohne Ergebnis. Denn Gsells conditio sine qua non lautete: Abschaffung der Selbstverwaltung und Rausschmiß der linken Gruppen.

Nach den gescheiterten Gesprächen hätten die Komm-Gruppen eigentlich gelassen die Mobilisierung für den Bürgerentscheid vorbereiten können - wäre nicht ein Papier aufgetaucht, das es in sich hatte. Formuliert hatte es der städtische Kulturreferent Georg Leipold, der auf dem grünen Ticket gewählt worden war. Das Schriftstück gab Verhandlungsergebnisse zwischen Leipold und dem CSU-Mann Gsell wieder.

Trotz Leipolds sichtlicher Bemühungen, einen möglichst progressiven Tonfall einzubringen, wurde deutlich: Die Verwaltung sowohl in räumlicher als auch in finanzieller und inhaltlicher Hinsicht sollte künftig Sache der Stadt sein. Dieses Papier besiegelte das Ende des Komm. SPD und Grüne machten sich für den angeblichen Kompromiß stark, die Mehrzahl der Komm-Gruppen war dagegen.

Erwartungsgemäß lehnte die Komm-Mitgliederversammlung im September das Papier ab. Die SPD reagierte mit einer Generalmobilmachung: Im Oktober karrte sie Hunderte von angeblichen Mitgliedern, die teilweise auf diesem Wege die Einrichtung erstmals betraten, zur Versammlung ins Komm. Es gelang ihr, das frühere Abstimmungsergebnis zu kippen: Zweidrittelmehrheit für den "Kompromiß".

Es kam zu einem Wettstreit der Abstimmungen: Ende November erlitt der "Kompromiß" auf einer von der unterlegenen Fraktion einberufenen Versammlung eine deutliche Abfuhr. Nun waren die Gräben so tief, daß sich SPD und Grüne vom Bürgerbegehren verabschiedeten und auch Hermann Glaser den Rückzug antrat.

Die CSU freute sich: Dem Komm e.V. flatterte die Kündigung zum 31. Dezember 1997 auf den Tisch. Auch das gestelzt "Polykulturlabor" genannte Konzept des grünen Kulturreferenten beerdigten die Christsozialen gleich mit. Im Dezember gab es einen "standesgemäßen Abgang" (OB Scholz) von linken Gruppen und Punks mit Molotow-Cocktails und Straßenschlacht.

Seit 1. Januar 1998 heißt das Komm also K 4. Punks, Linke und drogenpolitische Initiativen sitzen auf der Straße; ein männliches Triumvirat städtischer Kulturarbeiter bestimmt das Geschehen, und statt Vollversammlungen gibt es nun den "Mitarbeiterstammtisch", bei dem sich beklagen darf, wer bei der letzten Beförderungswelle übergangen wurde.

"Ein ganz normaler städtischer Kulturladen halt", kommentiert Christoph Meder. Welche Fehler er sich vorzuwerfen habe? "Der eine war natürlich dieser blöde vorgebliche Kompromiß. Der andere unsere Einschätzung, wir könnten tatsächlich auf SPD und Grüne bauen. Wir hätten uns auf ein Bündnis jenseits von Parteien konzentrieren sollen." Meder und die Mitglieder seiner Gruppe, die das "Metropoletan-Archiv" im Komm betreut hat, renovieren zur Zeit angemietete Räumlichkeiten in einem anderen Stadtteil. Für sie ist die Ausgrenzung sogenannter sozialer Problemgruppen Bestandteil einer Innenstadtpolitik, die auf Säuberungen und Vertreibung basiert.

Anders sieht das Michael Popp, der das Amt für Freizeit und Kultur leitet: "Wir können uns dem Trend nicht widersetzen, daß das Künstlerhaus für Nürnberger Bürger und Touristen attraktiver werden muß. Wer zivilisierte Verhaltensweisen an den Tag legt, kann weiterhin das Angebot nutzen. Aber bei einer zu großen sozialen Schlagseite ist offene Kultur nicht mehr möglich." Die Toleranz gegenüber "Randgruppen" schließe einen Teil der Bürger aus, so das Credo des Behördenleiters: "Das ist auch nicht sozial, wenn sich diese Bürger angewidert fühlen und Angst haben. Das ist auch eine Form der Diskriminierung." Und so wird - dem sozialen Gedanken sei Dank - künftig wohl eher die Kultur-Schickeria in feinem Kostüm und Zweireiher zu Vernissagen wandern als der Punk mit Bierflasche zum Anarcho-Konzert.