»Rechtsextreme Inhalte waren nicht vorhanden«

Beim Dresdener "Winterkolleg" der Freien Deutschen Sommerakademie sprachen auch ein Professor der Münchener Bundeswehr-Universität und ein Generalleutnant a.D.

"Ich selber war nur zu den Vorträgen von Prof. Dr. Franz W. Seidler über das Thema 'Die Wehrmacht im Partisanenkrieg des Ostens - militärische und völkerrechtliche Darlegungen' und von Generalleutnant a.D. Dr. Franz Uhle-Wettler zum Thema 'Probleme des deutschen Militarismus - dargestellt am Beispiel des General Ludendorff' anwesend. Rechtsextreme Inhalte waren bei diesen wissenschaftlichen Vorträgen nicht vorhanden. Vielmehr wurden insbesondere von Prof. Dr. Seidler neueste Forschungsergebnisse präsentiert."

Die Mitteilung von Hans-Holger Malcomeß fiel kurz und dürftig aus. Gleichzeitig kündigte der Magisterstudent den "sensationslüsternen Medien bezüglich des angeblichen Nazi-Skandals der Bundeswehr an der TU Dresden" den Rücktritt von seinen Ämtern als Schriftführer des DSU-Kreisverbandes Dresden, als Vorstandsmitglied der DSU-Vorfeldorganisation Jugendbildungskreis für Neue Kultur e.V. und als Sprecher der "Dresdner Freitagsgespräche" (DFG) an. Als Grund gab Malcomeß die öffentliche Reaktion auf Veröffentlichungen des stern und der Dresdener Lokalpresse über das Winterkolleg der Freien Deutschen Sommerakademie an, das diese Rechtsabspaltung der Sommerakademie der Jungen Freiheit am 28. Februar und 1. März in Dresden organisierte.

Auch wenn das Winterkolleg mit 86 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet vergleichsweise gut besucht war, kritisierte dort ein Mitglied der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) "aus dem Bergischen", daß es als Multiplikatorentreffen bei weitem nicht seine Möglichkeiten nutze. Die Anmeldungen der Teilnehmer liefen über die Burschenschaft "AFV! Rugia Karlsbad" im Haus der "Cheruscia". Als Kontaktperson fungierte dort Holger Szymanski, Kandidat der Republikaner für den Dresdner Stadtrat und für den Sächsischen Landtag bei den Wahlen 1994. In seinem Einladungsschreiben verwies Szymanski ausdrücklich auf die Burschenschaft Cheruscia und Malcomeß vom DFG als "engagierte Unterstützer vor Ort".

Außerdem, so Szymanski, sei es möglich, am "Politischen Aschermittwoch" der DSU unter dem Motto "Gegen eine pauschale Verurteilung der Wehrmacht!" und an einer "Führung durch die kulturgeschichtlich hochinteressante Ausstellung 'Unter einer Krone'" der DFG teilzunehmen.

Unter dem Titel "Erkenntnisse der Militärgeschichte" wurde das Winterkolleg dann an der Technischen Universität durch den Schatzmeister des Jugendbildungskreises für Neue Kultur e.V., Stefan Tausch-Marton, eröffnet. Während vor Veranstaltungsbeginn am Samstag Hans-Holger Malcomeß die FAZ feilbot, ging es an den Büchertischen richtig zur Sache. Neben dem Antiquar und Gründungsmitglied des Sachsenbundes, Bert Wawrzinek, in dessen Schaufensterauslage sich Schriften wie "Der Führer und die Jugend" finden, und der als Autor für wir selbst, Europa vorn und Junge Freiheit fungiert, stand Steffen Hupka. Der NPD-Funktionär hatte dabei, was das Publikum erwarten durfte. Auf den Büchertischen gab es Zirkulare wie Fritz von der JLO, die Pamphlete des verstorbenen Holocaust-Leugners Thies Christophersen oder das neuheidnische Yggdrasil. Neben den Schriften von Udo Walendy, Paul Carrell und Franz W. Seidler lagen Tonträger der Nationalbarden Frank Rennicke und Jörg Hähnel aus.

Den ersten Vortrag des Winterkollegs hielt Michael Kaiser, der Geschäftsführer der CSU-Stadtratsfraktion in Nürnberg. Der Sanitätsoffizier schilderte ausführlich seine Teilnahme am Bundeswehreinsatz in Ruanda. Dort sei er "Spieß beim Bund" gewesen, was "man ja heute gar nicht mehr sagen" dürfe. Die Situation vor Ort sei nur mit den "Verwüstungen durch die Rote Armee in den deutschen Ostgebieten" vergleichbar gewesen, behauptete Kaiser und legte zum Beweis Farbfotos vor. Der Betreiber des Garnisonsmuseums in Nürnberg erklärte, der größte Fehler vor Ort sei die Errichtung von Latrinen für "die kleinen Neger" gewesen. Sie hätten sich einfach auf einen Holzbalken über einer tiefen Grube setzen müssen. Eines Morgens sei er dann gerufen worden, weil einige der Kinder in der Latrinengrube ertrunken waren. "Doch irgendwann", so Kaiser, "müssen die da mal selber klarkommen."

Nach einem Nostalgie-Vortrag des Fliegeroffiziers der Nazi-Wehrmacht, Johannes Mohr, folgte einer der beiden Stargäste, Franz W. Seidler. Der Professor für Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität München (vgl.

Jungle World, Nr. 51/97) wiederholte, was er bereits im Focus dargelegt hatte: Endlose Tiraden über angebliche Haßaufrufe Ilja Ehrenburgs und die harte Bestrafung, der deutsche Soldaten ausgesetzt gewesen seien, wenn sie der Teilnahme an Plünderungen oder der "Notzucht" überführt wurden. Daß es "Überreaktionen" von deutscher Seite gegeben habe, habe an der "klugen Taktik Stalins" gelegen, den Partisanenkrieg zu beginnen. Denn, so Seidlers These, die Verstöße gegen "die humane Kriegsführung" seien von sowjetischer Seite ausgegangen.

Ob es denn auch Partisanen in den Städten gegeben habe, wurde aus dem Publikum gefragt. Die Antwort des Kronzeugen der Rechtsradikalen gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944", die Stadtguerilla sei "mehr ein Phänomen der sechziger Jahre" gewesen, wurde vom Publikum mit lautem Gelächter und Beifall quittiert. Nach Seidlers Auftritt heizte Uhle-Wettler in der Rolle des Pausenclowns dem Publikum mit deftigen Sprüchen weiter ein - eine passende Überleitung zum abendlichen Beisammensein mit Spanferkel und Bier.

Am nächsten Tag kam der ehemalige JF-Redakteur Hans-Ulrich Kopp zu Wort, der an diesem Wochenende auch als Chauffeur für die Europa vorn-Autorin Ilse-Carola Salm fungierte. Er mußte dem Publikum nicht mehr vorgestellt werden, da er in Dresden bereits mehrere Auftritte hatte, beispielsweise zum DSU-Aschermittwoch 1997 und bei den DFG. Sein Thema war die auslaufende Wehrmachtsausstellung vor Ort. Nach dem Lob für die Aufklärungsarbeit des Focus erging er sich in Beschimpfungen gegen Jan Philipp Reemtsma und dessen Familie.

Auch dem Thema "antinationale Umtriebe" widmete sich Kopp. "Ich bezeichne diese Leute als Transnationale. Sie erinnern mich an Minderheiten in Talkshows, die Transsexuellen. Die fühlen sich auch nicht wohl in ihrem Körper." Ein Beispiel für derlei "transnationales Umtreiben" seien die Flugblätter, die anläßlich des 50. Jahrestages des Dresdner "Bombenholocaust" aufgetaucht seien. Kopp zitierte aus einem Flugblatt: "... die Bombardierung Dresdens stellte einen notwendigen Schritt zur Zerschlagung des Nationalsozialismus dar. Keine Träne für Dresden". "Kann es sein", so Kopps Frage ans Publikum, "daß Deutschland hinter das sittliche Niveau der primitiven Völker zurückgefallen ist?"

Aber noch ist Deutschland nicht verloren, zumindest, wenn man den meteorologischen Vorhersagen Kopps glauben darf: Eine "Luftveränderung" sei spürbar: Das Gewitter sei zwar noch nicht zu sehen, werde aber unweigerlich kommen.