Happy Monument

Die Ergebnisse der Debatte um das "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" werden in Berlin gezeigt: 19 Vorschläge aus dem Kunstgewerbe

In Berlin ist zur Zeit wieder eine jener Ausstellungen zu sehen, in denen sich Monumentalität und Tristesse begegnen, als wären sie alte Bekannte. In der Schau geht es mehr oder weniger um die Hauptstadtarchitektur, die sich derzeit zwischen diesen beiden Polen bewegt.

Zu sehen sind die 19 Entwürfe für ein "Denkmal für die ermordeten Juden Europas", die nach dem zweiten, nicht öffentlichen Wettbewerb in die Vorauswahl kamen, sowie die vier, die in die engere Wahl genommen wurden. Jetzt ist das Publikum aufgefordert sich zu äußern.

Die Ausstellung ist gut besucht, das Besucherbuch gefüllt mit mehr oder weniger konstruktiven Vorschlägen. Einige schreiben nur "Weinmiller!", einige wenige Nazis fordern die "Befreiung der Deutschen aus der babylonischen Gefangenschaft", und nur sehr wenige zeigen sich ratlos und möchten lieber gar kein Mahnmal. Für die meisten jedoch ist etwas dabei, und sei es der Vorschlag von Rudolf Herz und Reinhard Matz, einen Kilometer Autobahn aufzupflastern und zum Mahnmal zu erklären.

An die 600 Besucher drängelten sich am 13. Januar in den Räumen der Marstall-Galerie, um mit Peter Eisenman und Richard Serra über den von ihnen gestalteten Entwurf zu diskutieren. Auch die anderen Veranstaltungen versprechen ein volles Haus, wenn Jochen Gerz, Gesine Weinmiller und Daniel Libeskind ihre Entwürfe zur Diskussion stellen.

Beenden soll die Veranstaltungsreihe eine Podiumsdiskussion am 26. Januar, an der u.a. Kultursenator Peter Radunski und Lea Rosh, die Vorsitzende des "Förderkreises zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas", teilnehmen. Am folgenden Tag, dem staatlichen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, soll schließlich die Entscheidung getroffen werden.

Es wird also ein Happy End geben. Nachdem die Grundsatzdebatte um das Denkmal dazu führte, daß das Gedenken zu einem nationalen Projekt wurde - ein Erfolg, der selbst die Initiatorin Lea Rosh überrascht hat -, wurde man sich plötzlich schnell einig: So gleichen sich die vier ausgewählten Entwürfe in ihrem Versuch, sich den Holocaust, ihrer jeweiligen Auffassung von Kunst entsprechend, ästhetisch einzuverleiben. Damit unterscheiden sie sich wiederum kaum von den außer Konkurrenz ausgestellten Entwürfen, lediglich fällt auf, daß sie repräsentativer wirken.

Daniel Libeskind steht für Recyclingkunst - ebenso wie andere Wettbewerbsteilnehmer hat er auf eine ältere Arbeit zurückgegriffen, um sie neu aufzubereiten. Die Hohlräume des von ihm entworfenen Jüdischen Museums in Berlin sollen als Abdruck leicht schräg versetzt in einer Tiefe von bis zu vier Metern in den Boden eingelassen werden. Dieser "Steinatem" sei ein "Bauwerk, das mit seiner städtebaulichen Figur das Publikum in die Atemlosigkeit Berlins, Deutschlands, der Welt versetzt".

Jochen Gerz schlägt vor, 39 Stahlröhren - "Lichtpole" - mit der Leuchtschrift "Warum" in den verschiedenen Sprachen der verfolgten Juden Europas auf dem Platz aufzustellen, ähnlich den Laternen eines Autokinos oder eines Parkplatzes. Die Besucher können mitmachen, indem sie eigene Antworten auf diese Frage im kleinen Gedenksupermarkt nebenan abgeben, die später den Fußboden des Platzes als steinerne Lichterkette schmücken. Die Ausstellung präsentiert schon mal eine paar vorbildliche Antworten, die ein Diaprojektor an die Wand wirft, z.B. diese: "Es gibt keine Antwort. Es darf keine Antwort geben."

Gerz' esoterischer Kitsch wird nur von Rebecca Horn übertroffen. Ihre Installation - eine 27 Meter hohe goldene "Seelenfahne" auf einem "Spiegelsee", zu dem man über eine Wendeltreppe ein gläsernes Treppenhaus hinabsteigt - läßt an eine Fantasyfilm-Kulisse denken. Über die Asche hinter der Glasröhre heißt es, sie sei ein "Symbol, deshalb ist beliebige Asche als Material zu verwenden" (Hervorhebung von mir; T.K.).

Weinmillers verquaster Symbolismus ist ebenfalls - im doppelten Wortsinne - repräsentativ. Einerseits ist er monumental, weil große Steinplatten das Konstrukt bilden, aber auch unauffällig, weil diese tiefergelegt wurden. Nur aus einem bestimmten Blickwinkel ergibt sich für den Betrachter aus der Anordung der Steine ein Davidstern - ein Prinzip, das der Maler Hans Holbein in seinem Bild "Die Botschafter" angewandt hat, wo sich aus einer Perspektive ein Totenkopf ergibt. Und: "An der Stirnwand kann der Besucher innehalten und bei offiziellen Anlässen einen Kranz niederlegen."

Weinmillers Detailverliebtheit wird von anderen Künstlern und Künstlerinnen noch übertroffen, die sich bereits Gedanken um Busparkplätze und Fußgängerunterführungen gemacht haben. Würstchenbuden, das ist die gute Nachricht, sind noch tabu.

Schließlich Serra/Eisenman: Ihr Denkmalsentwurf sieht 4 000 Betonpfeiler vor, jeweils unterschiedlich tief in den Boden gerammt, so daß der Besucher wie durch ein Labyrinth wandeln kann. Sein Entwurf gehört wie der neue von Christine Jackob-Marks in die Monumentalbauecke. Jackob-Marks empfiehlt eine Platte in der stilisierten Form des von Nazideutschland besetzten Europas, mit eingelassenen Stelen an den Orten der fiktiven Landkarte, wo die Vernichtung der Juden betrieben wurde. Der Entwurf scheint den idealen Kompromiß zwischen Weinmillerscher Symbolik und Gerzschem Kunstgewerbe zu bieten, sein einziges Manko: Er ist zu explizit.

Unter den ausgewählten Entwürfen ist keiner, der sich der "Aufgabenstellung", ein nationales Mahnmal zu schaffen, verweigern würde. Zwar gehört der Autobahnkilometer Kopfsteinpflaster von Herz und Matz ebenso wie die vier roten Schilder vor leerem Areal von SCALA/Störz/Wöhrle zu den Vorschlägen, die ein Scheitern der Debatte und damit des Gedenkens konstatieren. Aber der Bruch mit dem monumentalsymbolischen Kunstverständnis wirkt lediglich wie eine demonstrative Geste, und so bleibt der Vorschlag "Autobahnkilometer" eine folgenlose Provokation im Staeck-Stil der siebziger Jahre.

Zwei Entwürfe fallen durch einen ungebrochenen, fast rührend zu nennenden Bezug zur Aufklärung auf. Dani Karavan schlägt einen Davidstern in Form einer Anpflanzung mit gelben Blumen vor. Im Kellergeschoß des Areals soll ein Dokumentationszentrum eingerichtet werden, das über den industriellen Massenmord aufklärt. Und Zvi Hecker will die Vernichtung mit den ausgerissenen Seiten eines Buches symbolisieren. "Die fehlenden Seiten hinterließen ihre Spuren im Boden; Reihen von Fundamenten, Bänken, eingebettet ins hohe Gras, ein verlassener Friedhof. Die verbliebenen Seiten werden Wände, ihr Text Tore."

Beide Künstler verstehen das Mahnmal als Symbol nationaler Trauer um die ermordeten Juden, in ihrer Symbolik treffen sie sich aber nur scheinbar mit dem Entwurf von Weinmiller, denn der Bezug auf das Jüdischsein der Opfer ist bei ihnen nicht versteckt.

Wenig Beifall finden Hans Holleins Pißrinne - eine Schräge, an deren Ende eine beleuchtete Wand mit dem Wort "Auschwitz" steht - und Markus Lüpertz' figürliche Darstellung der Rachel als ein "couragiertes Symbol der Mutterschaft". Im Rückgriff auf die archaische Geschlechtersymbolik spiegelt sich vor allem das Eingeständnis eigener künstlerischer Überforderung.