Königlich bayerische Amtsgedenkstätte

Mit der Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Dachau versucht die Staatsregierung, NS-Geschichte auf bayerische Art zu entsorgen

Um die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Dachau bahnt sich eine internationale Auseinandersetzung an: Bis heute hat die bayerische Staatsregierung die Forderung nach Mitbestimmung von ehemaligen KZ-Häftlingen und Vertretern der Opfergruppen, die sich als "moralische Eigentümer" der Gedenkstätte begreifen, nicht erfüllt. Ebenso wenig kam sie der Aufforderung von Historikern, der Gedenkstättenleitung und KZ-Häftlingen nach, den Umbau unter der Regie eines international und kompetent besetzten Fachbeirats durchführen zu lassen. Hinter verschlossenen Türen hält die bayerische Ministerialbürokratie das Zepter selbst in der Hand.

Jahrzehntelang war die KZ-Gedenkstätte Dachau für die bayerische Staatsregierung ein unangenehmes Erbe: Zuerst wollte man die Gedenkstätte überhaupt nicht, dann wurde sie personell und finanziell vernachlässigt. Im Mai letzten Jahres hatte endlich ein Fachbeirat ein Gesamtkonzept zu ihrer Erhaltung und Erweiterung erarbeitet - doch nachdem er seine Konzeption fertiggestellt hatte, wurde der Beirat wieder in die Untätigkeit entlassen.

Seitdem plant und waltet die bayerische Ministerialbürokratie allein. Bereits der Ministerratsbeschluß von Ende Juli dieses Jahres, vorerst nur 8,5 statt der benötigten 14 Millionen Mark für die Neugestaltung auszugeben, ließ Zweifel am Willen der Staatsregierung aufkommen, das vom ehemaligen Fachbeirat geplante Gesamtkonzept auch wirklich umsetzen zu wollen. Denn mit der Sparmaßnahme wurde die notwendige Sanierung von "authentischen Orten" - das sind der historische Lagereingang ("Jourhaus"), das Lagergefängnis ("Bunker") und das Krematorium - verschoben. Zusatzausstellungen an diesen Orten, die weiter verfallen, sind ebenso wie die audiovisuelle Dokumentation von Häftlingsbiographien auf unbestimmte Zeit vertagt. Auch für qualifiziertes Personal steht kein Geld zur Verfügung. Das Konzept müsse "zeitlich gestreckt" werden, so die Auskunft aus dem Kultusministerium.

So wird Geld zur politischen Waffe: Auf einer Podiumsdiskussion forderten am 9. Dezember Überlebende des Nazi-Terrors, wie Max Mannheimer von der internationalen Lagergemeinschaft Dachau, die Staatsregierung erneut auf, endlich das nötige Geld für die Umsetzung des fälligen Gesamtkonzepts bereitzustellen, das Projekt nicht wie geplant "zeitlich zu strecken" und damit zu "zerstückeln". Die Initiative Memento KZ-Gedenkstätte Dachau hatte zu diesem Streitgespräch in die Technische Universität in München geladen, um die Öffentlichkeit über all die unzähligen Ungereimtheiten zu informieren, bevor es zu spät ist. Insbesondere die Tatsache, daß das Kultusministerium ohne öffentliche Ausschreibung das Haus der Bayerischen Geschichte - eine Behörde, die direkt der Staatskanzlei untersteht - mit der Neugestaltung der Kernausstellung im Hauptgebäude der Gedenkstätte beauftragt hat, stieß beim Publikum auf Protest und Unmut.

Auch die Auftragsvergabe für die Sanierung von Hauptgebäude und Westflügel gestaltete sich äußerst seltsam. Es wurde - wieder ohne Beschluß und ohne Ausschreibung - eine Münchener Architektin beauftragt. Regie führt das Hochbauamt Freising. Geplanter Baubeginn: Frühjahr 1998. Doch wie will man baulich sanieren ohne fertiges Konzept für die Ausstellung? "Man kann die Kernausstellung gar nicht konzipieren, wenn man nicht weiß, was später in den speziellen Ausstellungen im Außenbereich zu sehen ist", sagte Hans-Günter Hockerts vom Münchener Lehrstuhl für Neuere Geschichte. In der Verklammerung der Ausstellung mit den Dokumentationen an den "authentischen Orten" liege schließlich die Leistung des Gesamtkonzepts. Dafür brauche man eine "Gesamtinstanz".

Volkhard Knigge, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, kann über die in Bayern gewählte Struktur nur noch den Kopf schütteln: "Was für den Bau eines Hallenbades richtig ist, ist für eine Gedenkstätte nicht möglich." Knigge warnt vor dem "Prinzip der Addition". Ohne Kooperation aus der Mitte der Gedenkstätte fehle dem Ganzen die Seele. Auch Wolfgang Benz vom Berliner Lehrstuhl für Antisemitismus-Forschung und Vorsitzender des aufgelösten Fachbeirats wirft der Ministerialbürokratie einen "Alleingang" vor: Die stückweise Umsetzung bedeute eine "Beschädigung des Gesamtkonzepts" und führe zu "Flickwerk".

Über den Inhalt der neuen Ausstellung kann bisher ohnehin nur gemutmaßt werden. Folgt man im Haus der Bayerischen Geschichte noch den Vorgaben des Fachbeirats? Der wollte die bisherige Ausstellung als "authentisches Häftlingsdokument" in wesentlichen Teile erhalten und, wo nötig, ergänzen. So sollten dem Völkermord an Sinti und Roma und der Ausbeutung und Vernichtung von Millionen KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiterinnen in deutschen Firmen ein größerer Platz eingeräumt werden. "Das Ergebnis des Fachbeirats wird ausgehebelt", befürchtet Fee Czisch vom Memento-Vorstand. Jahrzehntelang sei die Gedenkstätte von Politikern ignoriert worden. "Durch taktisches Tricksen beschädigen sie jetzt die Würde der ehemaligen Häftlinge und die Würde des Ortes und handeln in der zynischen Tradition des Ignorierens."

Für diese These sprechen auch die Vorgaben der Staatsregierung: Die Kosten für die neue Ausstellung sollten "eine Million möglichst nicht überschreiten", so Manfred Treml vom Haus der Bayerischen Geschichte. Aber nicht nur die Finanzen, sondern auch die Art der Auftragsvergabe geben Anlaß zum Nachdenken: "Es war vom Kultusministerium klar und gewünscht, daß wir das machen", so Treml. "Wir sind die Ausstellungsmacher." Man habe sich bereits vor dem Ministerratsbeschluß mit der Ausstellung beschäftigt - "informell", nach dem Beschluß dann "offiziell".

Hinter den Zahlen stehen politische Prioritäten: Während in der meistbesuchten KZ-Gedenkstätte Deutschlands, die mit jährlich 700 000 bis 900 000 Besuchern aus der ganzen Welt zugleich das viertgrößte Museum im Lande ist, der Rotstift angesetzt wird, erhält das Haus der Bayerischen Geschichte für eine Ausstellung über die Verfassunggebende Versammlung auf Herrenchiemsee gleich mehrere Millionen. Als zynisch empfinden überlebende Häftlinge auch die von der bayerischen Ministerialbürokratie geplante "Zwischenausstellung": Anstatt, wie im Gesamtkonzept geplant, den Umbau in zwei Bauabschnitten durchzuführen und dabei die bisherige Ausstellung für die Besucher ständig zugänglich zu halten, soll nun eine "verkleinerte Ausstellung" in einer der Baracken auf dem Lagergelände untergebracht werden. "Wenn wirklich kein Geld da ist, warum behält man nicht die alte Ausstellung und macht historische Ergänzungen?" fragt sich Kathrin Seybold, Münchener Filmemacherin und Memento-Mitglied. "Der Verdacht taucht auf, daß die Ausstellung aus politischen Gründen verändert wird." Zumindest, was die Finanzen betrifft, zeigt sich Treml seinem Dienstherrn verpflichtet: Die "Version für 14 Millionen" - eine Kalkulation des Fachbeirats, dem Treml selbst angehörte -, sei "gewissermaßen ein Luxusausbau".

Unter ehemaligen KZ-Häftlingen und unter Historikern wächst die Befürchtung, "daß der Fachbeirat nur solange ernst genommen worden ist, bis man der Öffentlichkeit einen legitimierten Vorschlag präsentiert hatte". Was davon jedoch am Ende des langen Wegs durch die Bürokratie übrig bleiben wird, ist unklar. Und dieses Prozedere hat Methode. Unklar ist mittlerweile auch, wer am Ende dafür die Verantwortung tragen wird: Erst vor kurzem wurde bekannt, daß das Kultusministerium das Verfahren an eine untergeordnete Behörde abgegeben hat: "Jetzt sind wir für die Gedenkstätte zuständig - für alle Gedenkstätten in Bayern", so Zdenek Zofka von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung.

Da die Kritik von Überlebenden des KZ Dachau, Historikern und einzelnen Antifaschisten immer schärfer wird, ist man nun offensichtlich bemüht, dem Verfahren ein demokratisches Deckmäntelchen umzuhängen: Doch was die Mitbestimmung von ehemaligen Häftlingen, der Gedenkstättenleitung und ausgewiesenen Experten betrifft, konnte Treml vom Haus der Bayerischen Geschichte konkret nur von der beabsichtigten Einrichtung einer "beratenden Arbeitsgruppe" berichten.

Demnach sollen Ende Januar Teile des ehemaligen Fachbeirats eingeladen werden, im März soll dann das neue Ausstellungskonzept seines Hauses auf einem "internationalen Kolloquium" der Öffentlichkeit präsentiert werden. Doch bisher ist weder die Bereitschaft zu erkennen, die Entscheidungsgewalt denen zu geben, denen sie gebührt, noch die, ausreichend Geld zur Verfügung zu stellen.

Ernst Antoni vom Landesverband der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten wirft der CSU-Regierung "Kleinkrämerei" vor: "Es ist skandalös, daß die historische Verantwortung für den Erhalt und Ausbau der Gedenkstätte an ein paar Millionen scheitern sollte." So bleibt die Frage: Wird vom Freistaat weiter hinter verschlossenen Türen geplant, oder wird die Neugestaltung endlich in die Hände eines internationalen Gremiums aus ehemaligen Häftlingen, Gedenkstättenleitung und kompetenten Zeitgeschichtlern gelegt?