Neue alte Feinde

Väterchen Rußland ist endlich wieder das, was es früher einmal war: Eine Großmacht auf der politischen Weltbühne. Jewgeni Primakow, der Außenminister des Kremls, hat das bewerkstelligt. Er überraschte in Genf alle anderen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) und insbesondere seine US-Kollegin Madeleine Albright mit einem bereits unterezeichneten bilateralen Abkommen zur Beilegung des Irak-Konfliktes.

Seit Ende vergangener Woche darf die UN Special Commission (UNSCOM) nun wieder im Irak nach gemäß UN-Resolution 687 verbotenen Waffensystemen suchen, auch jene US-Amerikaner unter den Inspektoren, die eine Woche zuvor theatralisch des Landes verwiesen worden waren. Rußland werde "seinerseits energisch auf der Grundlage der Einhaltung der entsprechenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrates durch den Irak zur schnellstmöglichen Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak" beitragen, so versicherte Rußland dem Außenminister Bagdads, Tarek Aziz, nach einem zweitätigen Treffen in Moskau schriftlich. Die Ziele des Irak sind damit erreicht: Eine baldige Aufhebung der Sanktionen ist in Aussicht und die Arbeit der Waffeninspektoren ist durch das zweiwöchige Geplänkel zunächst entscheidend verzögert worden.

Aber nicht nur Saddam Hussein ist vorläufiger Sieger im Machtkampf mit den USA, sondern auch der Kreml. Lange ist es her, daß Rußland soviel internationalen Einfluß genossen hat. Daß Primakow, ein studierter Orientalist und ehemaliger Korrespondent der Prawda im Mittleren Osten, seine Kollegen aus Washington, Paris, London sowie Pekings UN-Vertreter Sha vor dem Genfer Gipfel in dem Glauben ließ, er erarbeite lediglich Kompromißvorschläge, dann aber ein fertiges Abkommen präsentierte, ist besonders ein Affront gegen die Vereinigten Staaten. Die "neue Weltordnung" nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte man sich dort irgendwie anders vorgestellt, als nur die Rolle eines Statisten zu übernehmen.

Das taktische Säbelrasseln Husseins war aber gerade deshalb erfolgreich, weil sich längst neue alte Machtkämpfe auf der internationalen Bühne abspielen. Verärgert u.a. darüber, daß die USA in Sachen NATO-Osterweiterung die russsischen Interessen mißachten, hat die Kreml-Diplomatie sich spätestens mit ihrer Rolle im Irak-Konflikt zum ernstzunehmenden Gegner Washingtons gemausert. Dabei weiß man aber auch in Moskau um die eigene Schwäche gegenüber dem US-amerikanischen Konkurrenten. Nicht ohne Grund bemüht sich Präsident Boris Jelzin, die "strategische Partnerschaft" zum Nachbarland China aufrecht zu erhalten. Mag es mit Peking zwar auch Differenzen geben - gerade was politische und wirtschaftliche Macht angeht - so sind doch beide Länder daran interessiert, die USA nicht zur weltweit unangefochtenen Nummer eins werden zu lassen.

Daß es Hussein gelungen ist, die anderen ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates gegen die USA auszuspielen, muß Washington genauso verägern, wie die Tatsache, daß Rußland dabei bereitwillig mitmacht, um dem traditionellen Konkurrenten eins auszuwischen. Als Schutz vor weiteren Negativ-Überraschungen, sollen die am Persischen Golf stationierten US-Verbände vorläufig dort bleiben. Damit man beim nächsten Mal schneller ist als Primakows Geheimdiplomatie.