Taxi zum Knast

Zwei Taxifahrer sollen ins Gefängnis, weil sie Jugoslawen von Zittau nach Bautzen beförderten

Ausländische Mitbürger, dunkelhäutige Deutsche und Touristen werden sich das sächsische Grenzgebiet künftig möglicherweise zu Fuß erschließen müssen. Oder mit Bussen und Bahnen - jedenfalls nicht mit dem Taxi. Weil ein Fahrer offenbar nur rechtmäßig arbeiten könne, wenn er "grundsätzlich keine Ausländer mehr transportiert", hat die Zittauer Taxi-Centrale das zuständige Landratsamt Löbau-Zittau um Bestätigung gebeten, daß "generell ausländische Personen abgelehnt werden können" - gesetzt den Fall, man erhalte nicht "innerhalb der EU-Außengrenze Polizeivollmacht zur Personenkontrolle von ausländischen Bürgern".

Willkommen in der Festung Europa. Bei aller Abstrusität - die Taxifahrer in der sächsischen Grenzstadt tun gut daran, sich abzusichern. Zwei Fahrer sollen in den Knast wandern, weil sie - ob wissentlich oder unwissentlich, sei dahingestellt - illegal eingereiste Ausländer befördert haben: Zu einem Jahr und zehn beziehungsweise einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung verurteilte das Amtsgericht Zittau sie nicht etwa, weil sie die Gäste über die Grenze transportiert haben, sondern "ins Landesinnere" der Bundesrepublik. Der Tatbestand: "Einschleusen von Ausländern" und "Beihilfe zur unerlaubten Einreise".

Gegen die Urteile und die damit verbundene Diskriminierung von Ausländern wie Taxifahrern macht jetzt in Berlin die "Forschungsgesellschaft Flucht und Migration" mobil. Auch die brandenburgische PDS wird aktiv. In einer Kleinen Anfrage an die Potsdamer Landesregierung wollte sie wissen, ob Verordnungen bestehen, die Taxifahrern vorschreiben, "ob und wie sie angeblich verdächtige Personen zu überprüfen haben". Die Antwort lautet: "Nein". Auch in Sachsen bestehen derartige Vorschriften offiziell nicht. Die beiden Urteile lassen allerdings anderes vermuten. Bernd Heinz L., 43 Jahre, gelernter Werkzeugmacher, wurde von einem Kollegen, der als professioneller Schleuser aufgeflogen war und gegenüber der Polizei umfangreiche Aussagen machte, angezeigt.

Der jetzt zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilte L. sagte allerdings aus, er habe schlicht nicht gewußt, daß die drei Jugoslawen illegal eingereist waren, die ihn im Juli 1995 auf dem Zittauer Marktplatz ansprachen und zum Bahnhof im 40 Kilometer entfernte Bautzen gefahren werden wollten. Sogar zwei Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes bestätigten den drei Jugoslawen ein "unauffälliges Äußeres". Das Gericht folgte dennoch den Ausführungen des aufgeflogenen Zeugen und konstruierte eine Indizienkette, die sich sehen lassen kann. Darin ist die Tatsache, daß die Fahrgäste ohne Gepäck reisten, ebenso verdächtig wie ihr Aufenthaltsort: Hätten sie nämlich tatsächlich zum Bahnhof Bautzen gewollt, wäre es doch wesentlich naheliegender gewesen, zu Fuß den Schienen zu folgen, als sich auf den Marktplatz zu stellen.

Daß die Fahrer vom illegalen Aufenthalt der Passagiere Kenntnis hatten, unterstellen die Richter ebenso ohne hinlängliche Beweisführung wie deren Verwicklung in die organisierte Kriminalität: In der Begründung des Urteils gegen den 41jährigen Victor R., der in drei Fällen angeklagt ist, Jugoslawen ohne gültiges Visum transportiert zu haben, heißt es, es sei "davon auszugehen, daß der Angeschuldigte im Auftrag von namentlich nicht bekannten Mittätern" handelte. Zur Begründung wird unter anderem angeführt, er habe "erkannt, daß es sich bei seinen Fahrgästen um Ausländer handelte". L.s Bemerkung, laut Personenbeförderungsgesetz sei es ihm weder gestattet, Ausländer abzulehnen noch Einreisepapiere zu kontrollieren, wischen die Richter mit der Bemerkung weg, es hätte "durchaus die Möglichkeit bestanden, durch einen Anruf beim Bundesgrenzschutz die Personen überprüfen zu lassen".

Es folgt der Verweis darauf, daß die Region von Ausländern kaum besiedelt sei - was das Gericht sich von einer Zeugin aus der Ausländerbehörde attestieren ließ: Lediglich 1 000 Ausländer, fast 400 Studenten und 600 Asylbewerber, lebten im Landkreis, rechnete sie vor. Und die könnten sich schließlich kaum ein Taxi leisten, suggerieren die Richter: "Gerade dieser Personenkreis verfügt in der Regel nicht über ein solches Einkommen ..." - "Soll das heißen, daß man die alle kennen muß?" fragt Lothar Mau, der Verteidiger von L., der in die Berufung gegangen ist. Außerdem sei es weder Aufgabe eines Taxifahrers, nach der Herkunft von Geldmitteln zu fragen, noch gehöre es zum "Allgemeinwissen, welche Einreisepapiere Bürger anderer Staaten haben müssen".

Der Verteidiger, der bereits dafür gesorgt hat, daß sein Mandant seinen Führer- sowie seinen Taxischein zurückerhalten hat, will gar nicht abstreiten, daß sich viele Illegale in der Gegend aufhielten. Auch sei es "völlig richtig, daß in der Vergangenheit immer wieder Taxifahrer in Schleusungen verwickelt waren". Dennoch müsse die Unschuldsvermutung gelten. "Anhand welcher Kriterien soll denn ein Taxifahrer beurteilen, welchen Aufenthaltsstatus sein Passagier hat?" Wie die Taxifahrer fürchtet auch Mau, daß ein ganzer Berufsstand zu Erfüllungsgehilfen des Bundesgrenzschutzes gemacht werden soll.

Auf welcher Rechtsgrundlage Taxifahrer Ausländer befördern oder nicht befördern dürfen, ist nach wie vor offen. Der Bitte um Ermächtigung zur Personenkontrolle wollte das Landratsamt Löbau-Zittau jedenfalls nicht nachkommen. Doch dort hat man Verständnis für die Taxifahrer. Das Amt empfiehlt eine "gewisse Vorsicht", verspricht aber Nachsicht, wenn ein "rechtmäßiger Fahrgast" Anzeige erstattet, weil er nicht befördert worden sei: Die Situation werde "entsprechend eingeordnet und entlastend betrachtet werden". Einem Fahrer der Taxi-Centrale Centrum ist das zu doof. "Was meinen Sie, was hier los ist, wenn wir bei jedem Ausländer den BGS rufen? Dann heißt es raus, Beine breit, umdrehen. Und der spricht vielleicht fließend deutsch. Nix da, wer ein Taxi will, wird mitgenommen. Und damit basta."