Der »Globale Süden« zu Gast in Venedig: Die 60. Biennale huldigt der Kunst der Indigenen

Postkoloniale Schnitzeljagd

Die 60. Kunstbiennale in Venedig verschreibt sich der indigenen Kunst. Selbstironische Reflexionen sind rar. Ein paar Highlights gibt es zwar – doch auch der antiisraelische Protest bahnt sich einen Weg in die Kunstschau.

Die Biennale in Venedig wirbt mit dem trendigen Versprechen, in diesem Jahr so divers wie noch nie zu sein und erstmals in großem Umfang Kunst aus dem »Globalen Süden« zu zeigen. Unter der Leitung des Brasilianers Adriano Pedrosa, des ersten queeren Kurators in der Geschichte der Kunstschau, hat sie sich unter dem Motto »Foreigners Everywhere« dezidiert dem »Antikolonialismus« verschrieben. Es dominieren gewebte Teppiche, Stoffe, Fotos und Werke Ländern des »Globalen Südens«, häufig mit queerem oder indigenem Bezug. Rund 80 Prozent der ausgestellten Kunstwerke und Künstlerbiographien sind mit dem Hinweis versehen, dass die Werke zum ersten Mal überhaupt ausgestellt werden. Hoch ist auch der Anteil der Begleittexte in postkolonialistischem Jargon, der eher Haltung abruft als Reflexion in Gang setzt. Und das ist in vielen ­Fällen auch ein Problem der gezeigten Kunst.

Exemplarisch dafür steht die Arbeit des in Palermo ansässigen italienisch-britischen Kunstkollektivs Claire Fontaine auf dem ehemaligen Werftgelände Arsenale. Es ist eine Installation aus neonfarbenen Lettern, die das Leitmotiv »Foreigners Everywhere« in vielen Sprachen leuchten lassen. Das sieht hübsch aus und ist plakativ, mehr aber auch nicht. Künstlerisch beeindruckende Werke findet man nur wenige.

Es scheint der Leitung der Biennale gelungen zu sein, die Präsentation von offen antisemitischen Werken, wie sie auf der letztjährigen Documenta zu sehen waren, zu unterbinden. Spuren des antiisraelischen Protestes begegnet man dennoch auf Schritt und Tritt.

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