Der Jazz in Südafrika zwischen Erinnerung an die Apartheid und Widerstand gegen gegenwärtige Krisen

»Manchmal bringen die größten Probleme die beste Musik hervor«

Jazz aus Afrika wird international immer mehr wahrgenommen. Vor allem in Südafrika gibt es eine pulsierende Jazzszene. Junge Musiker:innen von Kapstadt über Pretoria bis Johannesburg beschäftigen sich mit gegenwärtigen Krisen im Land und dem langen Schatten, den die Apartheid immer noch wirft.

Als die Apartheid bröckelt, ist Gabi eine Woche alt. Die sogenannte Rassentrennung in Südafrika solle aufgehoben werden, entschieden zwei Drittel der weißen Bürger:innen in einem Referendum, das Weißen vorbehalten war. Das war 1992, zwei Jahre vor den ersten demokratischen Wahlen und der Amtseinführung von Nelson Mandela als Präsident. Gabis Eltern wussten zu diesem Zeitpunkt bereits, dass ihre Tochter in einem anderen Land aufwachsen würde als sie selbst, östlich von Pretoria, der heutigen Verwaltungshauptstadt von Südafrika – in einem Township, das wie Gabis Zukunft klingt: Mamelodi, Mutter der Melodien.

Inzwischen ist Gabi Motuba studierte Jazzsängerin. Die 31jährige hat mehrere Alben aufgenommen und mit südafrikanischen Jazzgrößen wie Tumi Mogorosi oder Nhlanhla Mahlangu gesungen. Zurzeit arbeitet sie für andere Musiker:innen – Motuba übersetzt traditionellen Jazz aus Südafrika. Außerdem hält sie eine Residency am berühmten Soweto-Theater. Sie zog dafür von Pretoria nach Johannesburg. Eine Stunde Autofahrt trennt sie seither von ihrem Geburtsort, einer der am dichtesten besiedelten und ärmsten Gegenden der Region.

Die frühen Morgen an den Sonntagen, kurz bevor die Familie zur Kirche aufbrach, seien ihre wichtigsten Kindheitserinnerungen, erzählt Motuba im Gespräch mit der Jungle World. »Mein Vater legte Jazzplatten auf. Die Musik füllte unser Haus. Sie war in diesem Moment wie ein weiteres Möbelstück.« Während der Sonntagsmesse singen Hunderte Menschen im Chor. Motuba lernt Refrains und Melodien, die Texte und das Gefühl kennen, viele Stimmen gleichzeitig zu hören. »Wir erfahren das zuerst in der Kirche, bevor wir es irgendwo anders erfahren«, erzählt sie und meint: »Diese Erfahrung wird zur Grundlage schwarzer Identität.«

Jazz war so etwas wie der Soundtrack der Unterdrückten. Während der jahrzehntelangen Apartheid konnten sich darin viele schwarze Südafrikaner:innen wiedererkennen.

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