In Australien hat die Labor-Partei die Parlamentswahlen gewonnen

Klima und Wandel

In Australien hat die konservativ-liberale Koalition von Premierminister Scott Morrison eine klare Niederlage erlitten. Sein Nachfolger Anthony Albanese von der sozialdemokratischen Labor-Partei verspricht unter anderem eine effektivere Klimapolitik.

Neun Jahre unter der konservativen Regierung waren offenbar genug. Deren Koalition bestand aus den beiden großen liberalen Parteien CLP und LNP, die unter dem Namen Liberal Party stets eine gemeinsame Parlamentsfraktion bilden, und der National Party; angeführt wurde sie zuletzt von Premierminister Scott Morrison von der Liberal Party. Bei den australischen Parlamentswahlen am 21. Mai haben die Koalitionsparteien deutlich an Stimmen verloren und kamen im Repräsentantenhaus nur noch auf voraussichtlich 51 (Stand vom Montag nach Auszählung von 72,6 Prozent der Stimmen) von insgesamt 151 Sitzen.

Die meisten Stimmen und voraussichtlich 73 Parlamentssitze erhielt hingegen die sozialdemokratische Labor Party. Als neuer Premierminister wurde am 23. Mai Anthony Albanese von Generalgouverneur David Hurley vereidigt; dieser vertritt das Staatsoberhaupt, Königin Elisabeth II. Albanese tritt sein Amt in einer Zeit an, die von steigender Inflation und enormen Herausforderungen durch den Klimawandel gekennzeichnet ist. In seiner Siegesrede in Sydney sagte Albanese: »Die aus­tralische Bevölkerung hat für den Wandel gestimmt.« »Wandel« war auch das Stichwort seiner Kampagne gewesen.

Jemma Purdey, eine Politikwissenschaftlerin aus Melbourne, sagt, Albanese verkörpere in den Augen vieler den »hart erkämpften sozialen Aufstieg, der immer seltener wird«.

Mehr als konkrete politische Inhalte standen, wie auch bei Wahlen in der Vergangenheit, die Persönlichkeiten der Kandidatinnen und Kandidaten im Vordergrund. Albanese stammt aus sehr einfachen Verhältnissen, was bei seinen Amtsvorgängern selten der Fall war wie bei dem legendenumwobenen Andrew Fisher (Labor), der es Anfang des 20. Jahrhunderts vom Minenarbeiter zum dreimaligen Premierminister gebracht hatte. Als Sohn eines Italieners und einer Australierin wuchs Albanese mit seiner alleinerziehenden, invaliden Mutter in Sozialbauten auf. Bereits während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften stieß er zu Labor. 2013 war er kurzzeitig stellvertretender Premierminister. Im Gespräch mit der Jungle World sagte Jemma Purdey, eine Politikwissenschaftlerin aus Melbourne, Albanese verkörpere in den Augen vieler den »hart erkämpften sozialen Aufstieg, der immer seltener wird«.

Labor und Albanese konnten vor allem von den Fehlern der Regierung Morrison profitieren. Diese wurde beispielsweise für ihr Pandemiemanagement kritisiert, Impfstoffe wurden viel zu langsam eingeführt, Schnelltests fehlten. Als Fürsprecher der Kohleindustrie – Australien ist der größte Kohleexporteur weltweit und weist eine der höchsten CO2-Emissionsraten pro Kopf auf – wehrte sich Morrison auch gegen entscheidende Maßnahmen zur Senkung von CO2-Emissionen und konnte keinen Plan vorlegen, wie das Land auf Umweltkatastrophen infolge des Klimawandels in Zukunft reagieren solle. Als Australien 2020 von weitflächigen Buschfeuern heimgesucht wurde, sonnte sich Morrison am Strand in Hawaii. Bei den verheerenden Überschwemmungen Anfang 2022, bei denen mindestens 20 Menschen ihr Leben verloren, wartete er neun Tage, bis er den nationalen Notstand ausrief. Ohne sein langes Zögern hätte den Opfern viel schneller geholfen werden können.

Purdey weist auch auf den enormen Stimmenverlust für die liberal-nationale Koalition in Großstädten und bei berufstätigen Wählerinnen hin. Der Ruf der Regierung Morrison war bei ihnen denkbar schlecht: Mitte Februar 2021 gab eine Frau an, sie sei im März 2019, als sie als Mitarbeiterin im Verteidigungsministerium tätig war, von einem Kollegen im Parlamentsgebäude vergewaltigt worden. Kurz darauf wurde einem Minister der Regierung Morrison vorgeworfen, 1988 als 17jähriger eine 16jährige vergewaltigt zu haben. Morrison hielt zu seinem Minister, der den Vorwurf zurückwies, und wehrte die Forderungen nach erneuten Untersuchungen ab. Im März 2021 tauchten zudem geleakte Fotos und Videos aus einem Gruppenchat männlicher Regierungsangestellter auf, auf denen diese im Parlamentsgebäude sexuelle Handlungen ausführten, unter anderem masturbierten sie auf dem Schreibtisch einer weiblichen Abgeordneten. In der Folge protestierten landesweit Zehntausende gegen sexuelle Gewalt und für Geschlechtergerechtigkeit. Die Regierung geriet für ihre lasche Reaktion auf die Skandale unter Druck, viele kritisierten, dass Morrison mehr daran interessiert sei, seine Regierung zu schützen als die betroffenen Frauen.

Anders als bei der Wahl 2019, als Labor, damals noch unter dem Vorsitz von Bill Shorten, mit vergleichsweise radikalen Forderungen angetreten waren, etwa der Abschaffung von Steuervorteilen für Immobilienbesitzer, konzen­trierte sich die Partei diesmal auf eine Kampagne der »kleinen Ziele«, wie es genannt wurde, so dass man bei bestimmten Themen wie dem Steuersystem, der Fortführung des Kohleabbaus und der Asylpolitik kaum Unterschiede zum Wahlprogramm der Regierungskoalition fand. Allerdings hat Albanese unter anderem versprochen, den Mindestlohn anzuheben und mehr Geld in Kindertagesstätten und die Gesundheitsfürsorge zu investieren. Außerdem sollen die CO2-Emissionen schneller verringert werden, bis 2030 um 43 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 – die Ziele des Pariser Klimaabkommens würden jedoch noch mehr erfordern. Neben klareren Maßnahmen gegen den Klimawandel war ein wichtiges Versprechen Labors, eine bundesweite Antikorruptionskommission, die bereits seit Jahren zur Debatte steht, bis Ende des Jahres einzurichten.

Außenpolitisch sollen vor allem die Beziehungen zu südostasiatischen und den pazifischen Nachbarn verbessert werden. Die seit 2013 verschärfte Abschreckungspolitik gegen Bootsflüchtlinge, bei der Australien die Aufnahme ungewollter Asylsuchender immer wieder auf seine Nachbarstaaten abwälzte, hatte wiederholt zu Spannungen geführt.