Die Bundesregierung fördert trotz ökologischer Risiken die deutsche Satellitenindustrie

Die Märkte im Himmel

Die Bundesregierung fördert die deutsche Satellitenindustrie. Ökologische Risiken scheinen dabei keine große Rolle zu spielen.

Die Summe, mit der die Bundesregierung die Weltraumwirtschaft in Deutschland fördern will, scheint auf den ersten Blick nicht gerade astro­nomisch: Zehn Millionen Euro bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestags Ende April für die »Förderung von Kleinstsatelliten sowie dem Aufbau einer automatisierten Produktion von Satelliten in Deutschland«. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die der Oppo­sition verabschiedet. Der Betrag ergänzt ein schon bestehendes »Nationales Programm für Weltraum und Innovation – Forschungs- und Entwicklungsvorhaben«.

Die private Raumfahrtindustrie bekommt in Deutschland eher wenig Aufmerksamkeit. Viele werden wohl zunächst an milliardenschwere Hobby­astronauten wie den Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seiner Raumfahrtfirma Blue Origin denken. In Deutschland zeigt sich der Industriezweig zwar weniger pompös, gewinnt aber nach Ansicht auch bereits der vorigen Bundesregierung an Bedeutung. Schon sie wollte mit dem erwähnten »Nationalen Programm« die wirtschaftliche Nutzbarmachung des Weltraums voranbringen. Unterstützt werden dafür Start-ups aus der Weltraumwirtschaft ebenso wie Forschungsvorhaben – und natürlich Forschungsinstitutionen, aus denen heraus Start-ups gegründet werden könnten.

Ein neuer Trend sind zum Beispiel sogenannte Megakonstellationen, die aus Tausenden Satelliten bestehen.

In wenigen Industrien sind wohl Wirtschaft und Forschung so eng verzahnt wie in dieser. Die staatliche ­Förderung überrascht kaum, bedenkt man, welche enormen Ressourcen notwendig sind, um Satelliten ins All zu bringen. Zumindest bisher, denn an genau dieser Stelle setzt die »Kleinsatelliten-Initiative« der Bundesregierung an. Kleinere künstliche Trabanten sollen schneller und billiger in die Umlaufbahn kommen.

Ein Punkt spielt dabei für die Bundesregierung offenbar keine Rolle: das wachsende Problem des Weltraummülls. Zwar zielen einige der Forschungs- und Wirtschaftsvorhaben auch darauf ab, die Müllmengen im Orbit zu verkleinern, die inaktive Satelliten und Kollisionstrümmer bilden. Fraglich ist aber, ob das in einem realistischen Verhältnis zu den bereits jetzt im Weltraum verteilten Massen an Schrott steht.

Derzeit geht man von mehr als 8 000 Tonnen aus, von denen nur ein kleiner Teil von der Erde aus nachverfolgt werden kann. Mehr Satelliten verursachen mehr Weltraummüll – und je günstiger es ist, sie ins Weltall zu schießen, desto öfter wird das gemacht. Ein neuer Trend sind zum Beispiel so­genannte Megakonstellationen, die aus Tausenden Satelliten bestehen.

Gegensteuern will die Bundesregierung mit Satelliten, die auch zur Beseitigung von Weltraummüll dienen sollen, wie aus einer Anfrage der Jungle World an das Bundeswirtschaftsminis­terium hervorgeht. Beim sogenannten »De-Orbiting« verglühen Satelliten in der Atmosphäre. Moderne Satelliten bestehen vornehmlich aus Aluminium, welches dann in der Erdatmosphäre verbleibt – mit unbekannten Folgen.

Ein »Experiment mit ungewissem Ausgang« nennt das der Astrophysiker Aaron C. Boley von der University of British Columbia. Denn die Aluminiumpartikel könnten die Ozonschicht nachhaltig schädigen. Zudem tragen sie zu verstärkter Reflexion von Sonnenstrahlen bei – ob das zu einer Verringerung oder einer Verstärkung der Sonneneinstrahlung auf die Erde führen könnte, ist noch umstritten. Welche weiteren Folgen die Partikel in der Atmosphäre haben, ist noch nicht erforscht. Zwar verglühen auch viele Meteoriten in der Atmosphäre, diese enthalten aber kaum Aluminium.

Nicht zuletzt bedeuten mehr Satelliten auch mehr Lichtverschmutzung. Eine Studie von Samantha M. Lawler und anderen aus dem vorigen Jahr macht deutlich, dass bisher eine Strategie fehlt, um die wachsende Lichtverschmutzung zu verhindern. Lawler und ihre Kollegen prognostizieren, »ohne eine drastische Reduktion der Reflexionsfähigkeit oder eine deutlich geringere Gesamtzahl an Satelliten« werde sich »der Nachthimmel weltweit deutlich verändern«.

Für die Bundesregierung scheinen all diese Risiken bei ihrer Förderung der Raumfahrtindustrie keine Rolle zu spielen. Ziel sei es vielmehr, »deutschen Unternehmen gute Chancen in den entstehenden Märkten zu bieten«. Auf eine Frage nach der Schädigung der Ozonschicht durch schätzungsweise zwei Tonnen Aluminium pro Tag geht die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums nicht ein. Lediglich den Verweis auf »Bemühungen«, »laufende Überlegungen« und sehr vage und weitläufig gefasste UN-Empfehlungen gibt es von der Pressestelle. Darüber, inwieweit mit der Raumfahrtförderung auch sogenannte Dual-Use-Projekte oder sogar reine Verteidigungs- und Spionageprojekte gefördert werden, läge dem Bundeswirtschaftsministerium keine Aufschlüsselung vor.

Ganz sicher aber trägt die Bundesregierung zur wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums bei. Ihre Begeisterung darüber macht die Luft- und Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung, Anna Christmann (Grüne), in sozialen Medien deutlich. »#Klima ist eine Priorität deutscher Raumfahrtpolitik«, schrieb sie kürzlich mit Verweis auf den deutschen »Klimasatelliten« EnMAP, der sich seit kurzem im Orbit befindet und mit Hyperspektraltechnik Umweltveränderungen erkennen soll. Die Umweltgefahren der sogenannten New-Space-Industrie thema­tisiert Christmann jedoch kaum.