Die CDU wurde bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein deutlich stärkste Kraft

Ein berührendes Ergebnis

Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein wurde die CDU von Ministerpräsident Daniel Günther am Sonntag deutlich stärkste Kraft. Sie wird wohl mit einem der beiden bisherigen Koalitionspartner, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, weiterregieren.

»Die Wahlsiegerin ist die CDU, das sind wir«, sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther am Sonntagabend in der Landeshauptstadt Kiel. Unerwartet deutlich war der Sieg bei der Landtagswahl: Die CDU erhielt 43,4 Prozent der Zweitstimmen und damit 11,4 Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl 2017. »Für mich ist das ein Ergebnis, das mich berührt«, so Günther.

Gut 2,3 Millionen Wahlberechtigte hätten ihre Stimmen am Sonntag in Schleswig-Holstein abgeben können, knapp 1,4 Millionen von ihnen taten das. Die Wahlbeteiligung lag somit bei 60,4 Prozent, 3,8 Prozentpunkte weniger als 2017. Vor allem frühere Wählerinnen von SPD, FDP und AfD haben Umfragen zufolge diesmal nicht gewählt. Die AfD erhielt nur 4,4 Prozent der Zweitstimmen und flog das erste Mal seit ihrer Gründung aus ­einem Landesparlament heraus – ein bisschen passend, fand die Wahl doch am 8. Mai statt.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagte, das Ergebnis sei nicht nur eine Anerkennung für die CDU, sondern auch für die Regierungsarbeit der Koalition mit Grünen und FDP.

Zu den Wahlverliererinnen zählt zweifellos auch die SPD, die nur 16 Prozent der Zweitstimmen erhielt und 11,3 Prozentpunkte im Vergleich zur vorigen Landtagswahl verlor. Es ist das mit Abstand schlechteste Ergebnis der SPD bei einer schleswig-holsteinischen Landtagswahl. Das zeigt sich auch bei den Erststimmen in den Direktwahlkreisen, von denen die SPD keinen einzigen gewann. Selbst in den Großstädten Kiel und Lübeck unterlagen die SPD-Kandidaten denen von CDU beziehungsweise Bündnis 90/Die Grünen. Besonders überraschend war das Ergebnis im migrantisch geprägten Wahlkreis Kiel-Ost, einer nun wohl ehemaligen Hochburg der SPD: Dort unterlag die Landesvorsitzende, Fraktionsvorsitzende im schleswig-holsteinischen Landtag und stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Serpil Midyatli, der CDU-Kandidatin ­Seyran Papo, die erst seit drei Jahren Mitglied der CDU ist und bei der Landtagswahl 2012 noch auf dem dritten Listenplatz der Linkspartei antrat.

Papos ehemalige Partei »Die Linke« erhielt am Sonntag nur 1,7 Prozent der Zweitstimmen. Das entspricht weniger als der Hälfte des Stimmenanteils bei der Landtagswahl 2017, bei der die Partei zwar auch den Einzug in den Landtag verpasste, aber am Wahl­abend immerhin noch nicht unter »Sonstige« lief. Die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, sagte am Montag, das Ergebnis sei »bitter und enttäuschend«.

Eine regionale Besonderheit ist der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der 1948 gegründet wurde, um die Interessen der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein zu vertreten. Der SSW ist seit 1955 von der Fünfprozenthürde ausgenommen und versteht sich mittlerweile auch als politische Vertretung der friesischen Minderheit im nördlichen Teil Schleswig-Holsteins. Am Sonntag erhielt er 5,7 Prozent der Zweitstimmen und damit 2,4 Prozentpunkte mehr als 2017. Es war das erste Mal seit 1950, dass der SSW über fünf Prozent kam.

Ministerpräsident Günther sagte am Sonntagabend, das Ergebnis sei nicht nur eine Anerkennung für die CDU, sondern auch für die Regierungsarbeit der Koalition mit Grünen und FDP. »Und deswegen bedanke ich mich ausdrücklich bei Grünen und FDP für die super Zusammenarbeit«, so Günther. Neben seiner CDU konnten bei der Landtagswahl allerdings nur Bündnis 90/Die Grünen von ihrer Regierungsbeteiligung profitieren. Sie ­wurden zweitstärkste Kraft mit 18,3 Prozent der Zweitstimmen. Dagegen sackte die FDP auf 6,4 Prozent der Zweitstimmen ab, ein Verlust von 5,1 Prozentpunkten im Vergleich zu 2017. Man kann wohl davon ausgehen, dass die CDU die »super Zusammenarbeit« mit einem der beiden Koalitionspartner fortsetzen wird. Mit welchem, ist allerdings noch weitgehend offen. Sowohl Grüne als auch FDP boten sich bereits an. Günther kündigte am Montag an, mit beiden bisherigen Koalitionspartnern Gespräche zu führen.

Eine Regierung ohne die CDU, welche die absolute Mehrheit im Landtag nur um einen Satz verfehlte, ist hingegen praktisch undenkbar. Daher dürfte auch die nächste Landesregierung von Günther geführt werden. Und sie dürfte, egal mit welchem Koalitionspartner, weder sozial noch ökologisch agieren. Beispielsweise hatten CDU, Grüne und FDP 2019 das Tariftreuegesetz abgeschafft, das erst 2013 unter der vorherigen Landesregierung, einer Koalition von SPD, Grünen und SSW, in Kraft gesetzt worden war und wonach nur noch Firmen den Zuschlag für öffentliche Aufträge erhalten sollten, die ihre Angestellten tarifgerecht entlohnen oder bei fehlendem Tarifvertrag einen vorgegebenen Mindestlohn bezahlen. Günthers Koalition begründete die Abschaffung des Gesetzes bereits in ihrem Koalitionsvertrag mit dem Schlagwort »Bürokratieabbau« und versprach dort, »ein neues mittelstandsfreundliches Vergaberecht« zu gestalten.

Auch wer unter dem Begriff »ökologisch« mehr versteht als den Bau von Windrädern, dürfte von der nächsten schleswig-holsteinischen Landesregierung enttäuscht werden. Der beim Rückbau der Atomkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf anfallende strahlende Bauschutt wird per Zwangsanweisung auf Mülldeponien im Land verbracht, teilte Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Bündnis 90/Die Grünen) auf Anfrage des dagegen protestierenden SSW im Februar mit.

Außerdem wird ein auf Dauer angelegtes Terminal für Flüssiggas (LNG) in Brunsbüttel gebaut. »Schleswig-Holstein braucht kein LNG-Terminal«, hieß es noch im Entwurf des Landtagswahlprogramms 2022 von Bündnis 90/Die Grünen. Bis zur sogenannten Zeitenwende – nun soll schnell LNG als Ersatz für russisches Erdgas her, damit die energieintensive Industrie weiterlaufen kann.

Schleswig-Holstein ist für den Tourismus auf den Erhalt des Naturschutzgebiets Wattenmeer angewiesen. Allerdings gibt es vor der Halbinsel Friedrichskoog Erdöl. Seit 1987 betreibt der Konzern Wintershall Dea die Ölförderplattform Mittelplate im Wattenmeer, für die es trotz Kritik von Umweltverbänden Bestandsschutz gibt. Anfang März beschlossen CDU, Grüne und FDP einen von ihren Fraktionen gemeinsam eingebrachten Antrag, die Erdölförderung über Mittelplate ­hinaus auszudehnen – wieder mit dem Ukraine-Krieg als Rechtfertigung. Als Zugeständnis an die protestierenden Verbände, die das bedrohte hochempfindliche Ökosystem Wattenmeer geschützt sehen wollen, bestanden die Grünen lediglich auf einem festen Enddatum für die Ölförderung. Aber erst einmal soll ausgebaut werden.