»Limbs« von Keeley Forsyth

Kampf mit der Stille

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Der Impuls zu erschaffen beginne, so schrieb es einmal die Lyrikerin Adrienne Rich, oft auf schreckliche Weise in einem Tunnel der Stille. Vor drei Jahren geriet Keeley Forsyth in solch einen Tunnel, als eine schwere Depression ihr eine Zeitlang selbst das Sprechen unmöglich machte. So entwarf die als Schauspielerin bekannt gewordene Britin notgedrungen ein Alter Ego für sich, mit dem sie singend aus diesem Tunnel herausfand.

Die Stimme, die sie für ihr berührendes, Folk-orientiertes Debütalbum »Debris« einsetzt, zeichnet sich glücklicherweise nicht durch Zurückhaltung aus: Wie eine Goth-Reinkarnation von Judy Henske, die Scott Walker anerkennend zunickt und weder vor der Hingabe einer Anohni noch vor Nicos Todessehnsucht zurückschreckt, inszeniert sie sich mit viel melancholischem Pathos zu einer Ausnahmeerscheinung. Privat höre sie am liebsten Broadway-Musicals, verriet Forsyth in einem Interview, »West Side Story« sei eines ihrer Seelenpflaster.

Das nun erschienene zweite Album »Limbs« ist ebenso ein Seelenpflaster, auch wenn es die Logik von Musicals eher konterkariert: Auf einer Laufzeit von nur 30 Minuten hört man Synthie- und Streicherschwaden, Basspulse stolpern zögernd umher. Ein Orgelanschlag hier, ein Xylophon-Japser dort, dann wieder einige mutige Takte lang nichts – Forsyth hält die Stille zwischen den Klängen tapfer aus.

»Nobody sees these limbs underwater«, singt sie auf einem Stück. Durch mehrere Stücke zieht sich diese Metaphorik über ihren Körper, der sich ständig auflöst, um sich dann wieder triumphal zusammenzufügen. In den Videos der Musikerin wirbelt und windet sie ihre schon erwähnten Gliedmaßen anmutig durch monochrome Landschaften, ihre Live-Performances erinnern an die Choreographien von Pina Bausch. Forsyths Kampf mit der Stille ist ein intensives ­Ereignis und nährt trotz all der Weltuntergangsstimmung in sich und in der Zuhörerin die Hoffnung auf einen Neubeginn.

Keeley Forsyth: Limbs
(The Leaf Label)