Krankheit als Kränkung
I.
Die Krankheit ist in der Kritischen Theorie der menschliche Grundzustand, der auf seine Abschaffung drängt. Der Schmerz, das Leid, die Fragilität und Vulnerabilität des Körpers gelten ihr letztlich als der Einspruch und in gewissem Sinn die Rebellion gegen die Umstände, die sie verursachen oder verschlimmern. »Das Bedürfnis, Leiden beredt werden zu lassen, ist Bedingung aller Wahrheit«, schreibt Adorno in der »Negativen Dialektik« und begründet dies so: »Denn Leiden ist Objektivität, die auf dem Subjekt lastet; was es als sein Subjektivstes erfährt, sein Ausdruck, ist objektiv vermittelt.«
Dass Moral und Solidarität einem Grund entspringen, der als körperlicher und damit grundlegend leiblicher in gewissem Sinne vorpolitisch ist, auch wenn er stets politische Form annehmen muss, um wirksam zu werden, betonte auch Max Horkheimer 1970 in einem Gespräch mit Otmar Hersche, das unter dem Stichwort »Verwaltete Welt« bekannt geworden ist: »Die Aufgabe ist, (…) die Solidarität der Menschen zu schaffen, die dem Tode gegenüberstehen, und gemeinsam daran zu arbeiten, die Endlichkeit in gewisser Weise wenigstens zu verbessern.« Nun könnte man, fährt Horkheimer fort, fordern: »Ja, aber man muss doch das Gute, die Endsituation bezeichnen können. Und ich glaube: Das vermag man nicht; man vermag immer nur auf die Übel zu verweisen, die abzuschaffen sind.«
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