Das Gerede vom “Pippi in den Augen” soll endlich aufhören

Pippi? Igitt!

Das Medium Von

Wann immer es auf Twitter um etwas mit Gefühl geht, muss man nicht lange warten, bis der erste User oder die erste Userin der Welt mitteilt, er oder sie habe, nein, nicht geweint vor lauter Rührung, sondern »Pippi in den Augen« gehabt. Und meistens viel Applaus dafür erntet, wie toll doch Empathie gezeigt wurde, weil die neueste Anerken­nungs­klatsch­runde für das Personal im Gesundheitswesen oder ein herzzerreißender Tweet über die Frisurfolgen der Coronaisolation ­­den- oder diejenige nicht kalt ließen, sondern zu Tränen, Pardon, Pippi in den Augen führten.

Warum Menschen – ganz besonders Politiker, Blogger und Fernsehmoderatoren – nicht einfach sagen können, dass sie geweint haben oder ihnen die Tränen kamen, man weiß es nicht. Ebenso wenig ist bekannt, wie genau der strunzdusslige Ausdruck entstanden ist, denn man muss nicht mal regelmäßig im Biologieunterricht anwesend gewesen sein, um zumindest zu ahnen, dass es sich bei Urin und Tränen um zwei völlig unterschiedliche Flüssigkeiten handelt, die noch dazu auf ganz verschiedenen Wegen abgeleitet werden. Außer natürlich bei denen, denen vor Rührung die gelbe Pisse in den Augen steht, bis sie ­irgendwann überläuft und Tropfen für Tropfen die Wangen hinunterrinnt, um schließlich mit einem sanften Platsch auf der Oberbekleidung zu landen, oder in ganz ungünstigen Fällen im Mund, aber das stellen wir uns jetzt mal lieber nicht vor.

Man selbst möchte jedenfalls im wirklichen Leben kein Pippi in den Augen haben. Zumal die Gelegenheiten, anlässlich derer Menschen verkünden, ihre Sehorgane seien voller Urin, meistens irgendwelche schmonzig-pathetischen Rührseligkeiten sind, die fünf Minuten später schon wieder vergessen werden können, weil da schon das nächste Video ist, in dem ein Löwe und eine Babybergziege Freundschaft fürs Leben schließen, woraus wir alle Weltfrieden lernen könnten. Oder so. Jedenfalls: Augen können nicht Pippi machen. Wirklich nicht.