Wassermangel in Indien

Auf dem Trockenen

Seite 2 – Bedrohte Feuchtgebiete

Ein Bauer am nördlichen Stadtrand Delhis weist auf Folgeprobleme hin, die der Wassermangel bereitet: »Weil das saubere Wasser unseres Kanals für den steigenden Bedarf der Großstädter umgeleitet wurde, müssen wir unsere Felder nun mit Industrieabwäs­sern sprengen.« Die Stimme des drahtigen 50jährigen wird hart: »Mir soll es recht sein. Die Erträge sind gestiegen, seitdem wir das ›nährstoffreiche‹ Wasser benutzen. Mein eigenes Gemüse esse ich natürlich nicht.« Die dichter herangenahten Hochhäuser der wachsenden Metropole und der schwarze Rauch zweier naher Ziegelsteinfabriken helfen zu erklären, warum der Bauer wenig Mitleid mit seinen Kunden hat: weil sie kein Interesse für Menschen wie ihn aufbringen.

Es wird eng am Hugli. Hindus beim Ritual Puja im verdreckten Fluss in Kolkata

Bild:
Gilbert Kolonko

Knapp 1.500 Kilometer südöstlich von Delhi liegt Kolkata, besser bekannt als Kalkutta, die Hauptstadt des Bundesstaats Westbengalen. Täglich werden 750.000 Millionen Liter Abwässer der Metropole in die östlich gelegenen Feuchtgebiete geleitet. Dort erklärt der Fischer Sujut Mandal in einem grünen Labyrinth aus Teichen und Kanälen: »Hier fließt das ungereinigte Abwasser entlang. Alle 21 Tage lassen wir es zur Vorreinigung in einen Teil unserer Teiche. Das dort schon vorgereinigte Wasser lassen wir in die Fischteiche laufen.« Mit Hilfe von Bodenbakterien, Makroalgen, Pflanzenbakterien und Pflanzen wird das Abwasser zu Fischfutter zersetzt. Dann zeigt Mandal in nördliche Richtung auf eine Wand von Hochhäusern: »Von der Gegend Salt Lake drängen die Wohnsiedlungen immer mehr in die Feuchtgebiete. Windige Geschäfts­leute bieten den Fischern enorme Geld­beträge für deren Land. Viele Fischer verkaufen.«